Dass Friedhöfe oft einen Besuch lohnen, hatten wir schon in Buenos Aires beschrieben – in Recoleta kamen wir uns vor wie in einer Filmkulisse. Die Friedhöfe in Bolivien sind gänzlich anders: quicklebendige Städte mit tausenden Schaufenstern. 

Allerheiligen auf dem Friedhof in La Paz

Schon vor den Eingängen der Friedhöfe in Sucre und La Paz herrscht ein munteres Treiben: Blumenverkäuferinnen, Getränke- und Imbissstände säumen die Straßen. Was von außen wie Friedhofsmauern aussieht, sind in Wirklichkeit die Rückseiten der Grabwände. Auf mehreren Etagen werden die Särge in Grabfächer eingeschoben – ähnlich der Gepäckaufbewahrung an Bahnhöfen.

Doch von den Särgen bleibt nichts mehr zu sehen. Stattdessen wird das „Sarg-Schließfach“ wie ein Schaufenster dekoriert, um an den Verstorbenen zu erinnern: Mit einem Foto oder Gegenständen, die der Person was bedeutet haben: Das Lieblingsbier, das eigene Auto (als Miniatur), der Computer oder das unterstützte Fußballteam.

Día de los Muertos

Das allein wäre schon spannend genug, doch wir hatten besonderes Glück: Jedes Jahr am 1. und 2. November feiern die Bolivianer das Totenfest „Día de los Muertos“ (Tag der Toten) . Sie versammeln sich an den Gräbern, die sie in den Tagen zuvor besonders liebevoll geschmückt haben.

Zu dem Ritual gehört, dass neben Blumen auch die Lieblingsspeisen in die Schaufenster der Gräber gelegt werden. Nachmittags am 2. November trifft sich dann die ganze Familie am Grab zum Schmaus, denn dann ist die Seele des Verstorbenen ins Reich der Toten heimgekehrt und das Essen somit freigegeben..

Kulturschock: Spektakel auf dem Friedhof

Die Friedhöfe werden am Tag der Toten überrannt und verwandeln sich förmlich in Rummelplätze: Die Kinder spielen Fußball, wer musiziert, rückt mit einer Kapelle an und generationenübergreifend sitzen alle vor den Gräbern und picknicken.

Die ganze Stadt ist auf den Beinen. Wir mussten über eine halbe Stunde anstehen, um den Friedhof in La Paz überhaupt betreten zu können, die Schlange erstreckte sich über mehrere Blöcke. Auf dem Friedhof selbst: Ein Gedränge wie auf dem Jahrmarkt. Eigentlich viel schöner als der stille, steife Friedhofsbesuch in Deutschland an Allerheiligen und Allerseelen.