Samstag, 6:30 Uhr. Mein Wecker klingelt. Heute ist nicht irgendein Samstag. Heute geht’s nach Celle. Also schleppe ich mich mühsam aus dem Bett. Die Zeit reicht nicht einmal für meinen heiß geliebten Morgenkaffee. Selbst der 5er-Bus, angeblich Europas meistbefahrenste Buslinie, fährt um diese Zeit nur alle 20 Minuten. Doch das frühe Aufstehen lohnt sich. In diesem Artikel nehme ich dich mit auf unseren Tagesausflug nach Celle. Neben typischen Sehenswürdigkeiten gibt es Tipps für tolle Geschäfte und lecker Kaffee und Kuchen. Los geht’s.

Warum Celle?

Warst du schon mal in Celle? Ich nicht und bis vor Kurzem habe ich auch nichts Besonderes mit der kleinen Stadt am Rande der Lüneburger Heide verbunden. Bis jetzt. Dann setzte mir meine Freundin Vicky irgendwie den Floh ins Ohr. Und plötzlich wollte ich Celle unbedingt kennenlernen. Also planten wir mit Alexia und Martina einen Tagesausflug in die zwölftgrößte Stadt Niedersachsens. Wir suchten uns einen Samstag aus, da haben die Geschäfte offen.

Celle ist 120 km von Hamburg entfernt. Wir entscheiden uns für einen frühen, schnellen Zug, steigen mit Kaffeebechern ein, lassen uns in die weichen Sessel sinken und werden nach gut einer Stunde am Bahnhof Celle wieder ausgespuckt. Hier ist es merklich kälter als in Hamburg. Der Tag ist grau. Der Himmel wolkenverhangen. Aber kann ja noch werden. 

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(Kunst-?)Werk in der Triftanlage in Celle

Uni oder Zuchthaus?

Vom Bahnhof dauert es zu Fuß ca. 20 Minuten bis zur Altstadt. Wir laufen durch die Triftanlage, vorbei am Gefängnis und durch den Schlosspark. Das Gefängnis war ursprünglich ein Zuchthaus. Die Legende sagt, dass die Celler damals vor die Wahl gestellt worden waren, ob sie lieber eine Universität oder ein Zuchthaus hätten. Um die Unschuld ihrer Töchter zu schützen (die frechen Studenten!), entschieden sie sich für Letzteres :)

Celles Sehenswürdigkeit #1: Fachwerkhäuser

In der kleinen Altstadt angekommen steht erstmal ein ausgiebiger Bummel durch die kopfsteingepflasterten Gassen mit ihren 500 Fachwerkhäusern an. Die Häuser sind restauriert und erstaunlich gut erhalten.

Celle Sehenswürdigkeit Fachwerkhaeuser

Celle-Fachwerkhaeuser-weltreize

Celle-Kalandgasse-Fachwerkhaeuser-weltreize

Die kleinen historischen Gassen der Altstadt sind oft noch komplett erhalten.

Auf dem Platz vorm alten Rathaus ist gerade Markt. Es gibt fünf kleine, parallele Gassen, die alle auf das Schloss zulaufen. Zwei Querstraßen laden zum Abbiegen ein. Auch wenn die Altstadt sehr überschaubar ist, laufen wir dort eine ganze Weile herum, bis wir alles gesehen haben. 

 

Celler Glockenspiel

In einem Taschengeschäft vertrödeln wir die Zeit, sodass wir um kurz vor 11 Uhr mehr oder weniger zum Platz zurück sprinten, um das berühmte Celler Glockenspiel nicht zu verpassen, eine der Celler Top-Sehenswürdigkeiten. Es befindet sich an der Westfassade eines Geschäftshauses (Zöllnerstraße/Ecke Poststraße, 11, 13 und 17 Uhr).

Celle-Glockenspiel-weltreize

Martina erkennt die Melodie als erste: Die Gedanken sind frei. Das bleibt mir als Ohrwurm den ganzen Tag erhalten. Schönen Dank auch (#gereizt). Eigentlich gehört zum Glockenspiel ein Reigen von Figuren, die bekannte Celler Persönlichkeiten darstellen. Die Figuren sehen wir heute leider nicht. Zu kalt?

#reizende Läden 1: Keramikwerkstatt

Als wir weiter durch die Stadt flanieren, stolpern wir in einen kleinen Keramikladen. Das Geschäft befindet sich in der alten Ratsbadestube, wovon aber nichts mehr zu sehen ist. Inzwischen ist sogar die Sonne herausgekommen und flutet den kleinen Laden mit ihren Strahlen.

Keramikwerkstatt Celle

Eine junge Keramikerin sitzt mitten im Laden und verziert konzentriert schwimmende Steine mit blauen Fröschen. Sie ist noch in der Ausbildung. Die dauert drei Jahre. In Celle ist sie recht neu.

Celle Keramikwerkstatt

Jedes Stück in der Keramikwerkstatt ist ein Unikat. Alles ist geschirrspülerfest. Wir verlieben uns sofort in den kleinen Laden. Vicky kauft einen Eierbecher mit Blumenmuster, Martina eine schlichte Vase für Osterglocken.

Celler Sehenswürdigkeit #2: Stadtkirche

Zurück auf dem Platz treffen wir Alexia, die mit einem späteren Zug angereist ist. Mit ihr gehen wir in die evangelisch-lutherische St.-Marien-Kirche, auch Stadtkirche genannt.

Celle Sehenswürdigkeit Stadtkirche St. Marien

Der von außen unscheinbare Bau ist innen im barocken Stil prachtvoll verziert. Der italienische Barockkünstler Tornielli hat sie mit kostenbaren Stuckarbeiten ausgestaltet. Es gibt eine riesige, barocke Orgel und eine Galerie. Sehenswert soll auch die Fürstengruft sein, aber uns zieht es eher nach oben.

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Celle von oben

Also steigen wir für 1 Euro auf den 74,5-m-hohen Glockenturm der Stadtkirche. Der Turm hat immer dann geöffnet, wenn das Wetter es zulässt, auch wenn ein Aushang an der Kirche und die Touristeninfo etwas anderes sagen. Nach gefühlt Hunderten von Treppenstufen (tatsächlich sind es 234) kommen wir aus einer U-Boot-haften, runden Metallbox auf die Aussichtsplattform.

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Hier oben herrscht ein rauer Wind. Leider wird die Aussicht dadurch getrübt, dass alles vergittert ist. Recht weit oben im Gitter gibt es eine Öffnung, durch die die Linse meiner Kamera gerade passt.

Ausblick vom Turm der Stadtkirche: Celle von oben

Celle von oben: das Celler Schloss

Wir genießen die 360°-Aussicht und steigen dann wieder hinab. Gerade als wir auf Höhe der Glocken sind, schlägt eine der großen Glocken markerschütternd 1 Uhr. Zeit fürs Mittagessen.

Zünftiges Mittagessen

Nach dem Glockenturm sind wir alle so durchgefroren, dass es Zeit für die erste Einkehr ist. Wir suchen uns ein traditionelles Lokal aus: den Celler Ratskeller im alten Rathaus. Ein bisschen schade ist es schon, jetzt, nachdem die Sonne gerade erst rausgekommen ist, in die Dunkelheit des Kellers zu verschwinden. Aber zum Draußensitzen ist es ohnehin noch zu kalt. Rohe Roulade, eine Celler Spezialität, gibt es hier nicht. Wobei das von uns wohl eh keine probiert hätte…

Essen im Celler Ratskeller

Wir bestellen uns alle Hausmannskost, nach dem Essen noch einen Espresso. Aufgewärmt und gestärkt geht es wieder hinaus in die Celler Altstadt.

#reizende Läden 2: Huths Kaffee & Feinkost

Beim Flanieren durch die kleine Altstadt machen wir die zweite Entdeckung des Tages: Huths Kaffee & Feinkost. Der urige Laden ist in einem wunderschön verzierten alten Fachwerkhaus und hat eine klassische Schaufensterauslage. Als wir das Geschäft betreten werden wir in eine längst vergangene Zeit katapultiert. Plötzlich stehen wir in einem alten Krämerladen, wie er schon bei der Eröffnung 1851 ausgesehen haben mag. Die Wände sind über und über mit lackierten Holzregalen bedeckt. Links und rechts sind riesige Theken mit unterschiedlichsten Auslagen an Feinkost-Artikeln. 

Celle Huths Kaffee

Ganz hinten gibt es Kaffee und Tee. Allein 20 täglich frisch hergestellte Sorten Kaffee kann man bei Huths kaufen. Ich finde sogar welchen aus Äthiopien. Vicky kauft sich Kaffee aus Peru, wo sie uns auf der Weltreise besucht hatte.

Celle Huths Kaffee: Kaffeeauswahl aus aller Welt

Ein Paradies für Kaffeeliebhaber! Daneben gibt es 100 Sorten Tee, hübsch verpackte Schokoladen, Gebäck und und und.

Celle Huths Kaffee: Schokolade Choc Stars

Wir können uns gar nicht satt sehen an all den kleinen Köstlichkeiten. Ratzeputz, den hochprozentigen Celler Kräuterlikör, gibt es bei Huths selbstverständlich ebenfalls. Während wir so stöbern, verlieren wir die Zeit wieder völlig aus dem Blick. Wir müssen uns beeilen, um nicht zu spät zur Schlossführung zu kommen.

Celles Sehenswürdigkeit #3: Celler Schloss

Pünktlich als wir zum Celler Schloss eilen, fängt es ungemütlich an zu nieseln. Am Himmel sammeln sich graue Wolken. Kann uns egal sein. Die nächste Stunde verbringen wir drinnen. 

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Die Schlossführung kostet 9 Euro pro Person. Ingrid Veits führt uns durch die Räume des Schlosses. Sie ist sehr charmant und mit ihren 1,55 m eine zierliche Person. Bevor wir die Gemächer betreten dürfen, müssen wir in graue Filzpantoffel schlüpfen.

Schlurfend und über das glatte Parkett gleitend folgen wir Frau Veits. Sie führt uns durch die frühbarocken Staatsgemächer von Georg Wilhelm und Eléonore d’Olbreuse, dem letzten welfischen Herzogenpaar, das hier residierte. Ihre Erzählungen über die Intrigen und Verhältnisse der ehemaligen Herrscher sind kurzweilig.

Die Wände der Räume sind mit Seide verkleidet, von den Decken hängen prunkvolle Kronleuchter. Vicky kann gar nicht mehr aufhören, alle Kronleuchter zu fotografieren. Kostbare Möbel und Portraits der einstigen Bewohner komplettieren die Räume. Zwei Männer aus der Gruppe sind von den Portraits einiger adeliger Damen so angetan, dass sie sich mit ihnen fotografieren lassen.

Kronleuchter im Celler Schloss

Schlosstheater

Ein Höhepunkt der Führung ist sicher das barocke Schlosstheater. 1674 gegründet, ist es das älteste noch bespielte Theater Deutschlands und das älteste Barocktheater Europas. Warum bei der letzten Renovierung die 300 Publikumssitze mit blauem (statt wie üblich mit rotem) Samt überzogen wurden, ist auch Ingrid Veits ein Rätsel. 

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Das Barocktheater im Celler Schloss

Celle #kulinarisch: Kuchen im Museums-Café

Nach diesen tiefen Einblicken in die Celler Geschichte, wagen wir uns wieder raus in den Nieselregen. Glücklicherweise ist der Weg zu unserem nächsten Ziel kurz. Das Café Baxmann im Museums-Café.

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Vorsichtshalber haben wir dort einen Tisch reserviert. Baxmann ist eine Konditorei und Chocolaterie mit Café. Die Kuchen, Torten und Gebäckstücke sind alle selbst gemacht. Da wir kurz vor Ladenschluss kommen, ist die Kuchenvitrine schon etwas geplündert, aber wir finden alle noch ein Stück. 

Celle-Cafe-Baxmann-Museumscafe-Frankfurter-Kranz-weltreize

Von unserem Tisch können wir auf den Platz schauen. Der Markt ist längst abgebaut. Dafür ist jetzt das traurig nass-glänzende Kopfsteinpflaster im tristen Nachmittagsgrau zu sehen.

Internationale Lichtkunst

Nach dem Kuchenessen vertreiben wir uns in den letzten noch geöffneten Geschäften beim Parfümtesten die Zeit. Draußen regnet es immer noch und langsam wird es dunkel. Geschafft vom Herumlaufen und den vielen neuen Eindrücken, beschließen wir den Bus zurück zum Bahnhof zu nehmen (ist in unseren Bahntickets enthalten). Die Bushaltestelle liegt genau zwischen Schloss und Altstadt, sodass wir noch ein paar Fotos in der einsetzenden Dunkelheit schießen können.

Celle-Schloss-Daemmerung-welteize

Auch das Kunstmuseum Celle ist inzwischen beleuchtet. Es ist ein moderner Glaskubus, der wie ein Fremdkörper zwischen den historischen Gebäuden heraussticht. Internationale Lichtkunst nennt sich das, wenn der Würfel abwechselnd in allen möglichen Farben in der Dunkelheit leuchtet.

Celle-Kunstmuseum-Glascubus-Daemmerung-weltreize

Heimwärts

Dann kommt auch schon unser Bus, wir springen rein, fahren die drei Stationen bis zum Bahnhof und steigen in den Zug, der uns zurück nach Hause bringt. Der Zug ist recht voll, und wir hängen alle unseren Eindrücken nach. Ein schöner Tag war’s im kleinen Celle am Rande der Lüneburger Heide. Eine kleine Reise durch die Zeit hin zu Fachwerkarchitektur, Keramik, Kaufmannsladen, Schloss und selbstgebackenem Kuchen. Wir finden: Die Stadt wird viel zu wenig beachtet und lohnt auf jeden Fall den Besuch für einen Tag oder ein Wochenende.

Celle-Tipps

Schlossführung: Bevor du dir ein Ticket für die Schlossführung kaufst, frag unbedingt nach, ob die Führung dich auch in die Kapelle und die Küche bringt. Das sind zwei der Höhepunkte, die du exklusiv mit der Führung sehen kannst. Bei unserem Besuch sind beide wegen Umbaus geschlossen.

Celle am Abend: Falls du einen Abend in Celle hast, plan deinen Besuch so, dass du eine Vorstellung im Schlosstheater besuchen kannst.

Das war unser Tagesausflug nach Celle. Hast du noch Tipps für Sehenswürdigkeiten, Essen oder Touren? Dann freue ich mich über deinen Kommentar unter diesem Beitrag!

Dieser Artikel ist Teil der Blogparade „→ Die schönsten Kleinstädte in Deutschland“ vom Blog Raus ins Leben. Dort findest du weitere Tipps für Ausflüge in sehenswert deutsche Kleinstädte. Also, nix wie hin!

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