Südamerika bereisen, ohne den Amazonas zu erleben – undenkbar. Nach den Großstädten Quito und Lima freuen wir uns darauf, Natur zu atmen, auch wenn dafür nur ein paar Tage bleiben, da wir unseren Tauchtrip nach Galapagos schon vor vielen Monaten fest gebucht haben und dadurch etwas unflexibel sind.
Auf unserer Abschiedsparty hatten Vivian und Marc uns Puerto Misahualli als Geheimtipp empfohlen und ihn als verschlafenen Urwaldort beschrieben. Unsere Unterkunft France Amazonia ist wie ein Abbild der Gegend: Strohbedeckte Hütten umgeben von vielen Regenwaldpflanzen, in der Mitte ein Swimmingpool, doch nur sehr wenige Touristen haben sich hier hin verirrt. Nebenan plätschert der Rio Napo (manchmal rauscht er auch), beim Frühstück flattern Kolibris umher und von unserer Hütte haben wir einen 180-Grad-Blick in den Dschungel und auf den Fluss.
Da wir zu dem Zeitpunkt noch nicht ahnen, wieviel Spaß Rafting macht (das finden wir erst später in Costa Rica heraus) und wir den Heilungsprozess von Claudias Arm (die Wunde entstand beim Sandboarden) nicht gefährden wollen, beschränken wir uns auf’s Spazierengehen und Wandern (oder wie der Traveller sagt: Hiking and Trekking).
Wanderung zum Dorf
Der Besitzer der Unterkunft, wie der Name vermuten lässt ein Franzose, rät uns, keine Touri-Pfade zu betreten, sondern uns von einem lokalen Fischer für 1 US-$ mit seinem Boot auf dem Rio Napo zu einem abgelegenen Dorf schippern zu lassen. Dort schlagen wir uns ein paar Stunden durch die Büsche. Das Dorf ist nicht mehr als eine lose Ansammlung von einigen sehr einfachen Holzhütten, die sich weiträumig verteilt im Grünen erstrecken, man kann auch sagen: verstecken. Idylle pur, fernab der Zivilisation. Ein etwas beklemmendes Gefühl, wir kommen uns vor wie Wohlstands-Touristen, die Indios begaffen (im Grunde ist es ja nichts anderes, auch wenn wir versuchen, den Eindruck zu erwecken, hier einfach nur zu wandern).
Die Bewohner versorgen sich größtenteils selbst, indem sie kleine Felder bewirtschaften und sich ein paar Hühner oder auch mal eine Kuh halten. Immerhin: Es gibt eine Art Dorfplatz, wo Jugendliche zusammenkommen, um Basket-, Volley- oder Fußball zu spielen oder einfach nur in Hängematten zu klönen.
Wasserfall Las Latas
Am nächsten Tag treffen wir Diana wieder, nachdem wir zwischenzeitlich auf unterschiedlichen Routen unterwegs waren. Auch sie hat es in den Regenwald verschlagen – nach Tena, gut 20 km entfernt. Wir verabreden uns, um gemeinsam zum Wasserfall Las Latas zu wandern, der auf halber Strecke liegt. Der Weg dorthin erweist sich als schwieriger, rutschiger, matschiger Pfad, und wir müssen bei jedem Schritt achtsam sein. Als wir nach gut einer Stunde Kraxelei ankommen, sind wir mittelbegeistert: Wer wenige Wochen vorher die Iguazu-Fälle erlebt hat, den beeindruckt so ein einsamer Wasserfall nicht sonderlich, aber der Sprung ins kalte Wasser ist nach der Anstrengung sehr erfrischend.
Einen Tag später geht’s schon wieder zurück in die Zivilisation. Ohne eigenes Auto ist der Rückweg nach Quito (wie bereits der Hinweg) recht unbequem: Die lokalen Busse haben keine Klimaanlage und auch keine bequemen Sitze. Dafür läuft im Flatscreen ein Actionfilm mit Keanu Reaves, dem die Schulkinder fasziniert folgen. Wir müssen erst nach Tena fahren, dort zu einem anderen Busbahnhof laufen, dann nach Quito und uns dort wieder durch den dichten Verkehr kämpfen (wir gönnen uns ein Taxi). Aber die Aussicht auf zwei Wochen Galapagos machen alles erträglich und einmal Amazonas-Luft inhaliert zu haben, war die Anstrengung wert.