Was für ein Kulturschock! Der Übergang von der einsamen Weite des australischen Outbacks zu den chaotisch-vollgestopften Straßen der sulawesischen Millionenstadt Makassar ist der bislang heftigste unserer Reise.

Alles ist uns plötzlich fremd: Das Geknatter und Gehupe der Motorräder, die intensiven Gerüche der Warungs am Straßenrand, die Gebete aus den Moscheen, die indonesische Sprache. Es trifft uns unvorbereitet und wir brauchen einige Tage, das alles zu verarbeiten.

Mit Weltreisebesuch nach Sulawesi

Zum vierten Mal auf unserer Weltreise haben wir Besuch aus der Heimat bekommen: Vicky, die bereits im vergangenen Oktober und November mit uns durch Bolivien und Peru gereist ist, begleitet uns zwei Wochen durch Indonesien. Wir haben uns gemeinsam für Sulawesi entschieden. Die zu Indonesien gehörende Insel ist halb so groß wie Deutschland und stand weder bei uns noch bei Vicky auf der Liste möglicher Reiseziele. Wir suchten jedoch eine Gegend, die nicht zu weit von Bali weg ist (aufgrund unserer Flugverbindungen) und unseren gemeinsamen Interessen entspricht: Kultur, Natur, Outdoor-Aktivitäten – Sulawesi, so haben uns Freunde auf Facebook geschrieben, bietet das alles.

Besuch von Dani

Besuch von Vicky

Kulturschock in Makassar

Die Hauptstadt Makassar, wo wir gemeinsam angekommen, macht uns den Einstieg wahrlich nicht leicht. Es ist tagsüber fast unerträglich heiß, im Hotel spricht keiner englisch und die Stadt hat wenig zu bieten. Wir verarbeiten also erst mal die Eindrücke, die wie Urgewalten über uns hineinbrechen. Am Abend, als die Temperaturen erträglich werden, bekommen wir an der Promenade einen ersten Vorgeschmack auf das, was uns in den kommenden Wochen fast täglich erwartet: Die Menschen sind unglaublich neugierig auf die (relativ) wenigen Touristen, die hier vorbeikommen. Viele beobachten uns fast ehrfürchtig aus der Distanz, bis zu dem Moment, wenn sich jemand traut, uns anzusprechen (was meist Kinder sind). Dann kommen sie alle angelaufen, rufen „Hello Mister“, wollen Hände schütteln und Fotos mit uns machen. Ein Gruppe Studenten interviewt uns sogar für ein Uni-Projekt und will wissen, welche kulturellen Unterschiede es zwischen unseren Ländern gibt (Religion, Ausländer, Pünktlichkeit,…).

Wo fährt denn bitte hier der Bus?

Die Weiterreise (per Bus) ins Hochland Tana Toraja, nach Rantepao, zu organisieren, erweist sich als äußerst zäh, da man die Bustickets nur am Bahnhof der jeweiligen Busgesellschaft kaufen kann. Nachdem wir zwei Stunden im Taxi mehr im Stau gestanden als gefahren sind, haben wir zwar keine Fahrkarten, wissen aber wenigstens, wann und wo ein Bus abfährt.

Am nächsten Morgen ergattern wir tatsächlich Tickets für die Fahrt, die zehn Stunden dauert. Keiner der Busse würde in Deutschland erfolgreich durch den TÜV kommen. Die Reifen abgefahren, die Windschutzscheiben von diversen Steinschlägen gerissen und außerdem mit unzähligen Stofftieren zugehängt, aber die Sitze sind bequem, die Lehnen lassen sich seeeeehr weit zurückstellen. Die Landschaft auf dem Weg ins Zentrum der Volksgruppe Toraja ist sehenswert: Üppig grün bewachsene Wiesen und Wälder, zerklüfftete Berge, die sich imposant erheben und kleine Dörfer mit einfachsten Holzhütten. Dazwischen immer wieder Reisterassen und Kaffeeplantagen.

In Rantepao kommen wir in Pia’s Poppies (empfehlenswert!) unter, erkunden das Städtchen und organisieren uns einen lokalen Guide für die nächsten Tage (mit Fahrer 800.000 IDR pro Tag).

Zur Beerdigung nach Rantepao

Wer nach Rantepao kommt, will vor allem einer traditionellen Begräbniszeremonie der Toraja beiwohnen. Bei ihnen dreht sich das halbe Leben um Tote: Man spart fleißig, um sich eine möglichst pompöse Beerdigung leisten zu können. Und falls einer der Liebsten doch schon das Zeitliche segnet, bevor man genug Geld zusammengekratzt hat, dann bewahrt man ihn halt einbalsamiert im Haus auf – und sei es über mehrere Monate oder gar Jahre. Der Tote wird als „krank“ bezeichnet, in einem eigenen Raum aufgebahrt und alle Familienmitglieder müssen sich täglich zu ihm setzen und mit ihm reden oder essen.

Blutige Begräbniszeremonien der Toraja

Eine Toraja-Beerdigung hat’s in sich: Über mindestens drei Tage geht die „Zeremonie“. In dieser Zeit steht das Dorfleben still. Alle treffen sich, um dem oder der Toten zu gedenken. Da bei einer mittelgroßen Zeremonie bereits locker 1000 Leute zusammenkommen, werden für die Gäste erst mal provisorische Hütten aus Bambus errichtet. Unser Guide Amos führt uns zu einer Zeremonie in einem Nachbardorf, die gerade beginnt (also: erster Tag!). Wir wandern erst mal durch Reisfelder, einen kleinen Hügel hinauf und als wir um die Kurve biegen – was sehen wir als allererstes von der Zeremonie? Ein zappelndes, quiekendes Schwein, aus dessen  aufgeschlitztem Bauch das Blut in Strömen fließt und dem gerade die Gedärme entnommen werden. Spätestens da ist klar: Das ist nichts für schwache Nerven.

Rund 100 Schweine werden als Opfergaben dargeboten. Die meisten sind an dicken Bambusrohren festgebunden und werden von den Trauergästen zappelnd, kopfüber in die „Arena“ getragen. Dort begrüßt ein Zeremonienmeister über Mikrofon und Lautsprecher die Gäste und verrät allen Anwesenden, wieviele Schweine und sonstige Gaben der jeweilige Clan mitgebracht hat. Wir als Touristen haben auf Anraten unseres Guides eine Stange Zigaretten („eine gute Sorte, nicht die billigen“) besorgt, die wir den Angehörigen überreichen. Die meisten Gäste sitzen auf dem Boden der provisorischen Hütten, trinken Tee und stärken sich mit lokalen Gerichten, die immer scharf sind und zu denen es später auch das frisch geschlachtete und gegrillte Schweinefleisch gibt. Wir werden zunächst zur entfernten Verwandtschaft platziert, wo wir einheimische Spezialitäten angeboten bekommen, anschließend gehen wir an den Rande des „Hauptplatzes“, um den herum die wichtigsten Familienmitglieder nach Rang und Stellung sortiert Platz genommen haben.

Mit dem Wasserbüffel ins Jenseits

Der Höhepunkt des ersten Tages ist die Schlachtung des ersten Wasserbüffels, der den Toten ins Jenseits begleiten soll. In der Mitte des Platzes wird ein Pfahl in den Boden gerammt, der Sarg auf dem Balkon des Familienhauses wird nach Norden umgedreht – als Zeichen, dass die bislang „Kranke“ sich nun auf den Weg ins Jenseits („Puya“) macht. Der Büffel wird in die Arena geführt, an den Pfahl gebunden, der Zeremonienmeister baut Spannung auf, alle nehmen die besten Plätze ein und dann – ohne Vorwarnung – ein gekonnter Stich mit einem langen Messer in die Halsschlagader des Büffels. Der bäumt sich zwar noch mal kurz auf und zappelt am ganzen Körper, doch nach kurzem, vergeblichem Todeskampf sinkt er zu Boden und liegt in seiner eigenen Blutlache. Sogleich wird er gehäutet und die Trauergemeinde unterhält sich wieder bei Tee und Häppchen.

Die weiteren Büffel werden am zweiten Tag getötet. So ein Büffel kostet so viel wie ein Mittelklassewagen. Deshalb sagen die Einheimischen gerne mal: „Da kommt ein Toyota“ oder – bei einem besonders edlen Büffel-Exemplar (Augen- und Fellfarbe sind da entscheidend) – „Da kommt ein Mercedes“. Wer was auf sich hält, muss schon mindestens fünf Büffel schlachten, bei reichen Familien sind es 25 Büffel, deren Hörner danach über die Haustür gehängt werden. Je mehr Büffelhörner über der Eingangstür, desto höher der Status des Verstorbenen in der Toraja-Gesellschaft.

Neben uns sind vielleicht noch zwei Dutzend andere Touristen bei der Zeremonie anwesend, sodass die Trauerfeier tatsächlich sehr traditionell wirkt und nicht wie eine Touristenattraktion.

Häuser wie Schiffe

Nach einigen Stunden verlassen wir die Trauerfeier. Die Gegend hat noch mehr zu bieten, zum Beispiel das traditionelle Dorf Kete Kesu, das sich schon ganz gut auf die Touristen eingestellt hat und 20.000 IDR Eintrittsgeld verlangt. Die für diese Region typischen Wohnhäuser heißen Tongkonan, sind auf Stelzen gebaut, und nach Norden ausgerichtet. Jedem Haus mit markant geschwungenem Dach steht ein Reisspeicher gegenüber. Anhand der Büffelhörner über den Türen wird schnell klar, wer vermögend ist.

Hinter dem Dorf befindet sich eine Art Friedhof: Die Särge wurden in Felsvorsprünge platziert oder wie Regale angebracht. Im Laufe der Jahrzehnte sind jedoch schon etliche Särge runtergefallen und die Gebeine und Schädel liegen dementsprechend mehr oder weniger säuberlich zusammengekrazt umher.

Totenkult und Babybäume

Noch extremer das Bild einer Höhle in Tampangallo, die wir am Nachmittag besuchen. Dutzende Totenschädel und hunderte Knochen liegen dort herum. Die perfekte Kulisse für einen Gruselfilm. Die bedeutendsten Toten werden mit sogenannte Tau-Taus geehrt. Das sind aus Holz geschnitzte Abbilder der Toten, die deren Kleidung tragen (welche auch regelmäßig gewechselt wird) und in den Felswänden über die Toten wachen.

Wer glaubt, skuriler ginge es nicht, der muss nur nach Kambira fahren. Dort steht der größte „Baby Grave“-Baum. Die Toraja beerdigen tote Babies (per Definition sind das Kleinkinder, die noch keine Zähne haben) tatsächlich in Bäumen. Sie glauben daran, dass die Babys mit dem Baum weiter wachsen.

Durch die Reisterrassen

Nach dem schwer verdaulichen Einblick in die Kultur der Toraja gehen wir am nächsten Tag trekken. Amos verlangt dafür 100.000 IDR mehr als am Vortag, da sein Job ja anstrengender sei. Er führt uns stundenlang durch entlegene Reisterassen, die doch schwerer zu erwandern sind als gedacht: Denn der schmale Graspfad zwischen den von Wasser durchtränkten Feldern ist nicht breiter als 20 cm und oft ganz schön rutschig. Tatsächlich setzt sich im Laufe des Tages jeder von uns mal auf den Hosenboden. Amos ausgenommen, versteht sich. Dafür werden wir mit schönen Ausblicken auf Reisterassen belohnt, ab und zu steht auch mal ein einsamer Wasserbüffel im Weg, der wenig Anstalten macht, auszuweichen.

Rafting auf Sulawesi?

Andere Reisende schütteln den Kopf, als wir ihnen erzählen, dass wir in Sulawesi auch raften gehen wollen. In den dreckigen Flüssen und bei deren Auffassung was Sicherheit angeht? Doch nachdem wir in Costa Rica so begeistert vom Raften waren, ziehen wir das durch. Wir werden in einem klapprigen Geländewagen abgeholt (natürlich ohne Gurte) und haben von Beginn an Zweifel, ob der Fahrer jemals den Führerschein gemacht hat. Er heizt die engen Kurven in den Bergen hoch wie ein Verrückter, immer dicht am Abhang vorbei, erweckt dabei jedes Mal den Eindruck, dass auch eine gehörige Portion Glück dabei ist, wenn er versucht, entgegenkommenden Fahrzeugen auszuweichen. Ich sage noch „Ich bin froh, wenn wir heil ankommen“, da passiert es auch schon: In einer scharfen Rechtskurve kommt ein Motorradfahrer entgegen, der die Breite der Straße ebenso optimistisch einschätzt wie unser Jeepfahrer. Um einen Frontalzusammenstoß zu vermeiden, reißt der das Lenkrad ruckartig nach links – und kracht in den Berg hinein. Gottseidank fuhren wir bergauf. Doch die Karre gibt keinen Mucks mehr von sich. Aussteigen, Motorhaube auf – und dann beugen sich die drei Einheimischen über den Motor, kramen immer wieder irgendwelches Werkzeug hervor, schrauben hier und da, schütten iregndwelche Flüssigkeiten nach und – siehe da – nach einer knappen halben Stunde läuft die Karre wieder.

Eine Stunde heizen wir die Serepentinen lang, dann endet die Straße. Das letzte Stück müssen wir gehen. 45 Minuten lang mit Helm auf dem Kopf und Paddel in der Hand – in sulawesischer Sonne. Was für eine Schnapsidee, hier zu raften! Den letzten Abhang rutschen wir mehr hinab als zu wandern. Dann erreichen wir endlich den Fluss. Das Schlauchboot wird aufgepumpt, große Einführung gibt es nicht. Nur „Boom“ und „Boom Boom“ müssen wir wissen. Bei „Boom“ müssen wird’s rumpelig, dann müssen wir uns ins Boot lehnen, bei Boom Boom entsprechend heftiger, da müssen wir ins Boot reinrutschen und uns ganz klein zusammenkauern. Das kann ja heiter werden…

Doch, oh Wunder, die Bootstour wird grandios. Die Strecke ist malerisch. Wir passieren rund ein Dutzend Wasserfälle, die gut und gerne 100 Meter in die Tiefe stürzen. Jede Menge Leguane sitzen auf Steinen oder schwimmen gar im Wasser, dazu begegnen wir diversen Eisvögeln und den fast schon obligatorischen Wasserbüffeln am Flussufer. Die Requisite hat ganze Arbeit geleistet. ;-)

Rund drei Stunden sind wir auf dem Wasser, der Schwierigkeitsgard des Raftens war moderat (Stufe II-III), dafür die Strecke umso schönen (Panoramastrecke). Absolut empfehlenswert!

Nach vier Tagen in Rantepao geht’s für uns weiter in den Norden Sulawesis. Um uns mehrtägige Busfahrten zu ersparen, wählen wir den Weg, wie die meisten anderen Touristen auch: Wieder zurück in den Süden, nach Makassar, um dann von dort nach Manado zu fliegen. Der Bus holt uns abends um 21 Uhr (nach sulawesischem Zeitverständnis heisst das: 40 Minuten später) am Straßenrand vor Pia’s Poppies ab und liefert uns nachts um 4.45 Uhr am Flughafen ab.

Unsere Tipps für Indonesien

Die Bungalows stehen in einer wunderbar grünen Gartenanlage.

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