Jeder kennt die Pyramiden von Gyzeh, aber niemand die elf monolithischen Felsenkirchen von Lalibela im Herzen Äthiopiens. Dabei sind letztere mindestens genauso beeindruckend und einzigartig. Denn die Kirchen wurden nicht AUF, sondern IN den Felsen hinein gebaut! Sie gelten als Höhepunkt einer jeden historischen Äthiopienreise.
Dieser Artikel ist während unserer → einjährigen Weltreise entstanden. Deswegen findest du nicht nur Reise-Tipps, sondern wir schildern auch viel unsere Erfahrungen und Erlebnisse.
Besichtigung der Felsenkirchen von Lalibela
Am nächsten Tag rufen wir einen Guide an, der uns empfohlen wurde, und der tatsächlich spontan für uns Zeit hat. 15 Minuten später treffen wir Brehano am zentralen Ticketschalter.
Um den happigen Eintritt von 50 US-$ pro Person kommen wir nicht drum herum. Wir müssen unsere Pässe vorlegen und uns registrieren. Die Passnummer wird auf dem Ticket notiert. Das Ticket ist vier Tage lang gültig.
Die Felsenkirchen von Lalibela
In nord-äthiopischen Lalibela, das auf 2500 m liegt, gibt es insgesamt elf Felsenkirchen (Kirche = Bet). Hier die Kirchen im Detail
Die nördliche Gruppe
- Bet Medhane Alem: die größte monolithische Kirche der Welt, mit Lalibela-Kreuz, Vorbild: St. Maria von Zion in Aksum.
- Bet Maryam: die älteste Felsenkirche von Lalibela
- Bet Golgotha: Kunstgegenstände, Grab von König Lalibela, der den Bau der Kirchen im 12. Jahrhundert in Auftrag gegeben hat
- Bet Denagel
- Bet Maskal
Die westliche Gruppe
- Bet Giyorgis: die schönste Kirche, am besten erhalten
Die östliche Gruppe
- Bet Amanuel: ehem. Hofkapelle
- Bet Abba Libanos
- Bet Gabriel-Rufael: ehem. Königspalast
- Bet Merkorios: vorher ein Gefängnis
- Bet Lehem
Wir fangen mit der nördliche Kirchengruppe an. Während Brehano uns die Geschichte der Kirchen erzählt, verlassen gerade 600 Priester das Gelände. Heute ist Sonntag und es gab nicht nur einen Gottesdienst, sondern auch eine Art Priester-Treffen, weshalb alle 600 zusammengekommen sind. Das Bild der vielen Priester, die – alle in weiß gekleidet – die Gänge zwischen den Felskirchen beleben, ist sehr einprägsam.
Entstehung der Kirchen: Engel am Werk?
Über die Entstehung der Tempel ranken sich diverse Mythen. Einem zufolge hat König Lalibela die Tempel in Auftrag gegeben, um eine Art Jerusalem nachzubauen, zu einer Zeit als das Pilgern nach Jerusalem unmöglich war. Deswegen wird Lalibela, Äthiopiens himmlische Stadt, auch als Neu Jerusalem bezeichnet. Die UNESCO begründet die Auszeichnung als Weltkulturerbe unter anderem wie folgt:
„Der König von Lalibela wollte ein Symbol für das Heilige Land errichten, als Pilgerfahrten dorthin aufgrund der historischen Situation nicht mehr möglich waren. In der Kirche Biet Golgotha befinden sich Nachbildungen des Grabes Christi und Adams sowie der Krippe der Geburt Christi. Die heilige Stadt Lalibela wurde zu einem Ersatz für die heiligen Stätten Jerusalem und Bethlehem und hat als solcher erheblichen Einfluss auf das äthiopische Christentum gehabt. (UNESCO, eigene Übersetzung)“
Bis heute ist unklar, wie lange es gedauert hat, die Kirchen zu bauen. Der Legende nach haben tagsüber Menschen die insgesamt elf Gotteshäuser aus dem rostroten Tuffgestein geschlagen, nachts haben Engel weitergearbeitet, viel schneller natürlich. Deshalb hat der Bau insgesamt auch nur 25 Jahre gedauert. Archäologen gehen allerdings eher von 120 Jahren Bauzeit aus, ohne Engel.
Wie auch immer, die Kirchen sind ein beeindruckender Anblick, auch wenn die meisten von ihnen inzwischen von großen Planen überspannt werden, um sie vor der Witterung zu schützen. Jede Kirche besteht aus einem einzigen Stück Stein, sie ist also monolithisch. Vor dem Aushöhlen des Felsens muss jeder Schritt genau geplant werden, da Korrekturen später nicht mehr möglich sind. Von außen und innen sind die Kirchen sehr unterschiedlich reich verziert, viele mit Fenstern in verschiedenen Kreuzformen, oder mit Vorsprüngen, die Affenköpfe genannt werden.
Innen sind manchmal noch Malereien, gern vom Heiligen Georg, dem Schutzheiligen Äthiopiens. Auch von der Größe her unterscheiden sich die Kirchen erheblich. Es gibt Kirchen und Räume, die gar nicht, nur von Priestern oder nur von Männern betreten werden dürfen.
Bete Giorgis: der Höhepunkt
Den Vormittag verbringen wir in den fünf Kirchen der nördlichen Kirchengruppe. Außer uns sind nur wenige andere Touristen da. Kurz vor der Mittagszeit, die Kirchen sind von 12-14 Uhr geschlossen, kommen wir bei schönsten Kirche an: der kreuzförmigen St.-Georgs-Kirche. Sie ist nicht „überdacht“, sodass sie in ihrer ganzen Pracht von einem nahegelegenen Hügel aus überblickt werden kann. Diese Kirche wurde in Form eines Templerkreuzes angelegt. Auf dem ebenerdigen Dach wird diese Form durch drei ineinander verschachtelte Kreuze wiederaufgenommen.
Nachmittags treffen wir uns wieder mit Brehano, um die restlichen fünf Kirchen (die östliche Gruppe) zu erkunden.
Brehano scheint noch einen Termin zu haben, denn er macht Tempo und erzählt nur noch wenig. Einmal gehen wir durch einen 25 m langen Tunnel, der zwei Kirchen unterirdisch verbindet.
Den hätten wir ohne Guide nie gefunden! Die Gänge und Tunnel wurden damals für König Lalibela angelegt, damit dieser sich unbehelligt zwischen den Kirchen bewegen konnte. Zum Schluss steigen wir auf einen kleinen Hügel, von dem aus wir beiden Kirchengruppen, St. Georg, die traditionellen, strohgedeckten Tukul-Rundhäuser und den Fluss Jordanis, der nach dem Jerusalem-Vorbild benannt ist, überblicken können.
Eine Bar namens Torpido
Abends gehen wir mit der Truppe vom Vortag in eine äthiopische Bar namens Torpido, was ja schonmal vielversprechend klingt. Hier soll es eine Art folklorische „Tanzshow“ von den Einheimischen geben. Wir trinken das typisch äthiopische Honigmet, das in phiolenartigen Reagenzgläsern kredenzt wird. Das Showprogramm wird zunächst von einer Sängerin und einem klampfenspielenden Sänger bestritten, die durch den Laden schreiten und sich offenbar freizügig über die Gäste lustigmachen, dem Gelächter des Publikums nach zu urteilen. Die Ferenjis (Weißen) sind da natürlich ein gefundenes Fressen.
Irgendwann geht das eigentliche Programm los. Das wird von einem jungen äthiopischen Pärchen bestritten, die den Schultertanz, den Volkstanz der Amhara zeigen. Beim Schultertanz mobilisieren die Tanzenden Muskeln, von denen bei uns in Mitteleuropa höchstens Physiotherapeuten wissen, dass es sie gibt. Sie ziehen die Schultern hoch und lassen sie wieder sinken, wobei die Schultern stets rotieren. Dabei gehen sie seitwärts oder auch vorwärts auf andere Tanzende zu und kommunizieren auf diese Weise miteinander. Immer wieder werden andere Besucher der Bar, besonders gern Ferenjis, zum Tanz aufgefordert. Unser Tisch ist dabei besonders beliebt – so viele Ferenjis!
Später geht es mit dem Tuktuk durch die unbeleuchteten Kopfsteinpflasterstraßen nach Hause. Am nächsten Morgen reisen die anderen ab. Wir bleiben noch ein paar Tage in Lalibela, um uns die berühmte Kirchen Yemrehana Krestos und das surrealistische Restaurant „Ben Abeba“ anzuschauen.
Mehr Eindrücke aus Äthiopien
Äthiopien war für uns eines der beeindruckendsten Länder der gesamten Weltreise. Ein paar mehr Erfahrungen von unserer Zeit dort findest du noch in diesen Beiträgen. Dabei ist auch ein Weiterlesetipp mit tollen Äthiopien-Bildern zu Bloggerkollegen von uns:
- Lalibela und der umgekehrte Rassismus
- Zwischen den Fronen: Gefangene für einen Tag
- Äthiopien Reisebericht in Bildern – Unterwegs am Horn von Afrika
- 11. Monat Weltreise: 10 Erkenntnisse aus Indonesien, Thailand und Äthiopien
- 12. Monat Weltreise: 10 Erkenntnisse aus Äthiopien und Tansania
- mehr Afrika-Reisetipps …
Das sieht wirklich sehr interessant aus und gehört habe ich von den Felsenkirchen auch noch nie. Ein toller Artikel, danke für den Einblick! :-)
Herzlich,
Anna
Super interessant! Vielen Dank für Eure Tipps!
LG Esther
Liebe Esther,
das freut uns :) Wenn du noch Fragen hast oder konkrete Tipps brauchst, meld‘ dich gern.
Ansonsten freuen sich die Kids am Horn von Afrika auch immer über Mitgebrachtes wie Kugelschreiber oder ähnliches.
Und ich kann dir das Buch „Abyssinia“ von Carola Frentzen sehr ans Herz legen. Sie hat ein Jahr in Äthiopien gelebt und nimmt einen wunderbar mit in diese ganz andere Kultur!
Viele Grüße aus Hamburg
Claudia
Von den berühmten Felsenkirchen habe ich vor ca. 3 Jahren zum ersten Mal gehört. Es wäre ein Traum Reiseziel für mich gewesen, aber mein Alter läßt es nicht mehr zu. Der Wunderbare Bericht war für mich ein kleines „Miterleben“ und so danke ich Euch von Herzen. Vielleicht geht es auf Eurer Weltreise noch nach Persien, dem heutigen Iran und ihr besucht die großartigen und berühmten „persischen Gärten“. Das wäre mein zweites Traumziel gewesen. Genießt diese schöne Welt!
Liebe Gisela,
freut mich, dass wir dich durch unseren Blogpost ein kleines bisschen mit nach Lalibela nehmen konnten. Ein wirklich so beeindruckender Ort! Im Iran waren wir leider noch nicht, aber falls eine unserer Reisen uns mal dahin führt, dann nehmen wir dich in Gedanken gern wieder ein bisschen mit :)
Alles Gute für dich und viele Grüße
Claudia
Sehr interessant – vielen Dank! Bin aus Österreich und meine italienische Freundin hat mich auf diese fantastischen Kirchen in Lalibela aufmerksam gemacht.
Wir reisen des öfteren – vielleicht kommen wir auch dort mal hin?
Nochmals danke und viele schöne Reisen.
Liebe Irmgard,
freut mich. Ja, die Felsenkirchen von Lalibela sind wirklich nicht so bekannt, obwohl sie auch absolut erstaunlich und sehenswert sind, wie ohnehin alles von Äthiopien, was ich gesehen habe. Drücke dir die Daumen, du sie mal persönlich siehst!
Schöne Grüße
Claudia