Lange haben wir hin und her überlegt, welche Route wir nehmen sollen: An der Ostküste Neuseelands entlang, wo es mehr Ort und Städte gibt, mehr Strände, die Natur abwechslungsreich ist – oder aber an der Westküste entlang, wo uns eigentlich nur der Franz-Josef-Gletscher interessiert. Da wir auf unserer Reise sonst wohl keinen Gletscher sehen würden, haben wir uns schweren Herzens für die Westroute entschieden.
Ausnahmsweise haben wir sogar zwei Tage vorher schon – in Queenstown – nach einer Unterkunft in Franz Josef gesucht – völlig zwecklos. Alles ausgebucht. Bleibt nur ein Zimmer in Fox Glacier – 30 Autominuten entfernt, wo es auch einen Gletscher gibt.
Gletschertour: teure Angelegenheit
Für uns klar: Wenn wir schon einen Gletscher sehen wollen, dann richtig – und nicht bloß von einem Aussichtspunkt aus. Auf den Franz-Josef-Gletscher, der 1865 vom deutschen Entdecker Julius von Haast nach dem damaligen österreichischen Kaiser Franz Joseph I. benannt wurde, kommt man mittlerweile nur noch per Helikopter oder mit einer geführten Tour (die auch einen Helikopterflug beinhaltet). Wir wollen nicht nur rein in den Heli, hochfliegen, kurz rausspringen zum Fotomachen und wieder retour, sondern das ewige Eis auch richtig erleben – sprich: Gletscher-Wandertour. Einziger Anbieter: Franz Josef Glacier Guides. Kostenpunkt: 349 NZ-Dollar (rund 200 Euro, 2016) pro Person.
Mit zwei Tagen Vorlauf entscheiden wir uns für die 9-Uhr-Tour – das bedeutet Treffpunkt 8.45 Uhr. Heißt also: 8 Uhr Abfahrt in Fox Glacier. Dummerweise gibt es aber erst ab 8 Uhr Frühstück bei uns in der Unterkunft, auf das wir nicht verzichten wollen. Also: Schnell ein Müsli und ein paar Toasts rein und dann mit durchgedrücktem Gaspedal um 8.15 Uhr auf nach Franz Josef.
Touranbieter verzweifelt gesucht
Zwar erreichten wir um 8.40 Uhr das Ortsschild, doch den Touranbieter finden wir zunächst nicht, da auf unserem Voucher keine Adresse vermerkt ist. Ein paar falsche Abbiegungen und ein Telefonat später kommen wir kurz vor knapp an und müssen hektisch die Vorbereitungen treffen. Denn der Helikopter wartet nicht auf dich, die Touren sind eng getaktet. Erstes Problem: die Kleidung! Jeans geht gar nicht, meint Cody, der Guide, da sie die Nässe anzieht. Doch zu den Touren gehört gletschertaugliche Kleidung glücklicherweise dazu. Schnell noch der Medizin-Check, die Verzichtserklärung auf sämtliche Ansprüche falls was schief geht, Telefonnummer und E-Mail von Angehörigen für den Fall der Fälle. Unbedingt mit Sonnencreme einschmieren und Sonnenbrille einpacken. Kein Selfie-Stick, kein Rucksack, nur eine kleine Flasche Wasser und die Kamera um den Hals dürfen mitgenommen werden. Kurze Einweisung – schon hebt der Hubschrauber ab!
Mit dem Heli auf den Franz-Josef-Gletscher
Dort, wo der Gletscher endet, quasi auf der Gletscherzunge, setzen wir auf, schnüren die Spikes unter die Stiefel, und schon stampfen wir los. Bloß nicht schlurfen, die Füße bei jedem Schritt anheben, wegen der Spikes im Eis. Dazu die Beine immer weit auseinander, sonst kann man sich mit den Spikes die Knöchel aufritzen. Puh! Das Stapfen mit den Spikes unter den Schuhen geht ganz schön in die Beine!
Cody erklärt uns alles Wissenswerte über Gletscher und ihre Gefahren. Die Eismassen bewegen sich jeden Tag mehrere Meter. Deshalb müssen die Guides jeden Morgen eine neue Route suchen, auf der sie die Gruppen sicher über die Eis führen können.
Und jetzt wird uns auch klar, warum die Unterkunftssuche so schwierig war: Die vergangenen drei Tage konnten die Helikopter wegen schlechten Wetters nicht starten, auch morgen würden keine Touren stattfinden, da 140 mm Niederschlag vorhergesagt sind. Welch ein Glück wir haben, dass unsere Tour stattfindet – und das bei Sonnenschein.
Auf den Spuren von Franz Josef
Ehrlich gesagt, hatte ich mir alles etwas anders vorgestellt: den Gletscher viel „sauberer“, mehr weiß und blau statt all der braunen Geröllspuren. Viel höher – wir kraxeln gerade mal auf 700 m über NN. Und überhaupt: mehr Eis-Feeling. Cody hackt dauernd auf dem Eis rum, damit die Spikes besser greifen, aber das erinnert doch mehr an Eisschnee als an ewiges Eis. Und wo ist eigentlich genau dieser Gletscher? Ok, unter uns befinden sich wohl 50 bis 70 Meter Eis, vor uns auch eine Wand aus Eis, die offenbar deutlich größer ist als sich abschätzen lässt. Das sei sowas wie ein gefrorener Wasserfall, sagt Cody. Jeden Moment könnten Eisbrocken von der Größe eines mehrstöckigen Hauses abbrechen – deshalb dürfen wir nicht näher ran. Der eigentliche Gletscher ist offenbar hinter dem gefrorenen Wasserfall. Von dem Heli-Flug hätte ich mir schon einen Überblick erhofft.
Wissen macht Ah
Anyway. Codys Ausführungen sind interessant: Er zeigt uns anhand der Baumgrenze am Berg, wieviel größer der Franz-Josef-Gletscher noch 2008, also acht Jahre zuvor, war. Doch, keine Bange, das sei nicht besonders tragisch. Denn: Ein Gletscher ist ja nicht bloß gefrorenes Eis, er bewegt sich ständig. Der Franz-Josef-Gletscher beispielsweise sieben bis acht Meter pro Tag. Dabei komme es vor, dass er mal ab- und dann wieder zunimmt. Wie die Menschen. Wer’s glaubt…
Überhaupt: Der Gletscher kann sich nur halten, weil es hier so viel regnet: Im Ort fällt zehnmal soviel Regen wie in London. Und oben, auf dem Gletscher, schneit es nahezu unentwegt: 400 Meter (!) pro Jahr. Und dann sind da immer wieder die Gletscherspalten und -löcher, auf die wir aufpassen müssen. Sie heißen Moulins, Cody nennt sie „death holes“. Denn ein Schritt zu weit und schon geht es abwärts. Immerhin: Das Leiden wäre kurz. „Bevor du erfrierst, bist du im Eiswasser ertrunken.“ Sehr beruhigend.
Zurück im Dorf
Nach zweieinhalb Stunden Eiswandern geht es wieder per Helikopter zurück ins Tal. Dort erfahren wir, dass wir dank der Gletscher-Tour freien Eintritt in die Hot Pools haben, die bis 21 Uhr geöffnet sind. Jeder der drei Pools hat eine unterschiedliche Wassertemperatur: Von 36 bis 40 Grad Celsius. Die Tour hat uns insgesamt doch ganz schön geschlaucht hat, weshalb wir beschließen, heute nicht mehr weiter zu fahren und in Franz Josef zu übernachten. Und siehe da, gleich das erste Hostel hat noch ein freies Zimmer.
Gletscher von unten
Da ich insgesamt doch etwas enttäuscht von der Gletscherwanderung bin, will ich wissen, was man von der frei und kostenlos zugänglichen Aussichtsplattform des Gletschers sieht. Auch die muss man sich erwandern: Vom nächstgelegen Parkplatz sind es noch 45 Minuten. Der ganze Weg dorthin war früher unter dem Gletschereis begraben – alles geschmolzen. Schon traurig.
Bis auf die Tatsache, dass die Wolken mittlerweile deutlich tiefer hängen als noch am Vormittag, sieht man von der Plattform auch nicht wesentlich weniger als mit der geführten Tour. Wir sind nur 750 Meter weiter entfernt.
Tipp für eure Neuseeland-Reise
Daher mein Ratschlag: Wer nicht unbedingt Wert darauf legt, im Eis zu wandern, sondern nur den Gletscher sehen möchte: hin zur Aussichtsplattform. Und danach die kleinste Hubschraubertour buchen: 10 Minuten Flug über den ganzen Gletscher. Kostet „nur“ 99 NZ-Dollar…
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Leider haben wir noch nicht alle Etappen von unserem Neuseeland-Teil der Weltreise verbloggt. Aber ein paar Artikel dazu gibt es schon noch:
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