Obwohl ich schon seit vielen Jahren nach Nordfriesland fahre, habe ich bis vor Kurzem noch nie vom Biike-Brennen gehört. Dabei ist die Biike das Nationalfest der Friesen. Am 21. Februar vertreiben sie jedes Jahr mit einem ordentlichen Feuer, einem letzten Fest und einem zünftigen Essen den Winter. Wie das mit der Biike genau funktioniert, haben wir uns in St. Peter-Ording (Schleswig-Holstein) angeschaut.
Der Biike-Tag: sonnig bei Gegenwind
Nachdem unsere ersten Tage an der Nordsee von typisch grauem Februarwetter begleitet sind, begrüßt uns der Biike-Tag mit Sonnenschein und ungewohnt blauem Himmel. Wir machen uns auf den Weg zum Ordinger Strand. Normalerweise kann man hier mit dem Auto direkt auf den festen Sand fahren und dort parken. Heute ist der Zugang gesperrt. Winterpause vielleicht. Aber der vorgelagerte Parkplatz ist offen und, da noch keine Saison ist, sogar kostenfrei.
Wir machen uns auf den Weg zu einem langen Strandspaziergang. Alleine bis man das Wasser erreicht, kann es an der Nordsee ja schon etwas dauern. Die Gezeiten, also Ebbe und Flut, sind hier stark ausgeprägt. Wir bummeln gemütlich Richtung Meer. Eigentlich ist es wegen des starken Gegenwindes eher so mittelgemütlich. Aber frische Luft und Sonne tun gut.
Die für St. Peter-Ording so typischen Pfahlbauten mit Restaurants haben geschlossen. Sogar das Toilettenhäuschen hat seine Treppe hochgeklappt!
Die Strandkörbe, die sonst bunte Tupfer auf die beige Fläche setzen, sind offenbar noch im Winterlager. Dafür flanieren jede Menge Spaziergänger auf dem riesigen, weitläufigen Strand. Hunde jagen begeistert den in den Prielen fischenden Möwen hinterher.
Der Strand von St. Peter-Ording und das Wattenmeer sind seit 2009 UNESCO Weltnaturerbe.
Auf nach St. Peter-Bad
Nach zwei Stunden machen wir uns auf den Rückweg, setzen uns ins Auto und fahren zum belebtesten Teil von St. Peter-Ording: dem Ortsteil „Bad“. Dort befindet sich nicht nur das Schwimmbad Dünen-Therme, sondern auch unser Lieblingsrestaurant „Die Insel“.
Im vor dem Wind schützenden Strandkorb bestellen wir jeder ein großes Stück Kuchen.
Gestärkt schlendern wir durch die vielen kleinen Läden von Bad und fragen schließlich beim Supermarkt, ob wir hier eine Fackel für die Biike kaufen können. Der Verkäufer schaut uns so verständnislos an, als hätten wir ihn gefragt, wo wir hier eine Hexe verbrennen könnten. Komisch.
Godber Kraas und die Geschichte der Biike
Als nächstes gehen wir zu einem Vortrag über die Biike-Tradition. Der wird von Godber Kraas – wunderbar norddeutscher Name! – gehalten. Godber leitet die örtliche Volkshochschule und hat sich ins Thema eingelesen.
Das Biike-Brennen sei das Nationalfest der Friesen und werde seit 2014 sogar als immatrielles Kulturerbe in Deutschland gelistet. Sprachwissenschaftlich komme Biike von Bake, was (Feuer-) Zeichen heißt.
Es findet am Vorabend des Petritages (22.2.) statt. Früher wurden an diesem Tag traditionell Verträge zwischen Herrschern und Dienstboten oder zwischen Reedern und Seefahrern geschlossen. Die Hanse hatte für die Zeit vom 11.11. bis 22.2. aus Wettergründen ein Schifffahrtsverbot verhängt. Das war für die Seefahrer also Urlaubszeit. Die feierten dann mit der Biike nochmal kräftig, bevor das Arbeitsleben für sie wieder losgehen konnte.
Grundsätzlich wird mit den Biike-Feuern vor allem in Nordfriesland der Winter vertrieben. Sie bestehen zu großen Teilen aus Weihnachtsbäumen, die bis dahin aufgehoben werden. Nachdem die Biike lange in Vergessenheit geraten war, wurde sie 1989 in St. Peter-Ording wiederbelebt. Nach der Biike geht man traditionell Grünkohl essen. Zum Schluss gibt’s nen Schnäpschen. Die Schulkinder in Sylt und Föhr haben am 22.2. sogar frei.
Und es gibt doch Fackeln!
Aufgewärmt und mit viel neuem Biike-Wissen verlassen wir das Dünen Hus. Die Nachmittagssonne steht schon tief. Auf dem großen Platz vor dem Dünen Hus sind Buden aufgebaut: Es gibt Glühwein, Crepes und Bratwürste.
Und eine Bühne, auf der später die friesische Band „Nordward Ho“ den Winter wegrocken soll, gibt es ebenfalls. Der NDR hat offenbar auch beschlossen, dass die Biike in St. Peter-Ording berichtenswert ist. Sechs NDR-Fahrzeuge (!!!) säumen den Platz. Ein Team mit Reporterin und Kameraleuten filmt gerade ein paar Kinder, die erzählen, warum sie die Biike so gut finden.
Auch eine Feuerstelle mit einer großen, gusseisernen Schale steht auf dem Platz. Daneben ein Stapel mit Fackeln. Für alle. Umsonst. Euphorisch nehmen wir uns jeder eine vielleicht 60-cm-lange Fackel.
Sofort setzt sich der kleine Umzug von 200 Leutchen in Bewegung. Wir wollen ja nicht, dass die Fackeln abgebrannt sind, bevor wir wieder hier sind. Immer unten am Deich lang.
Am Wendepunkt die Treppe hoch, oben auf der Plattform wird frischer Apfelpunsch ausgeschenkt. Gut gegen die Kälte.
Spätestens auf dem Rückweg haben alle gemerkt, dass die Fackeln ganz schön Funken werfen und eventuell auch Brandlöcher in die Winterjacken brennen können. Bis auf paar Beratungsresistente gehen alle brav hintereinander auf dem Deich entlang zurück zum Festplatz. Ein schönes Bild, die lange, sich langsam bewegende Fackelreihe. Wie eine kleine, leuchtende Perlenkette. Zurück auf dem Platz sind wir froh, dass wir ohne Brandschäden davongekommen sind und werfen unsere Fackelreste in die Feuerschale. Hinter den Wolken über dem Meer geht die Sonne unter. Jetzt wird es Zeit für den Höhepunkt des Abends.
Maaki di biiki ön
Das ist friesisch und heißt „Mach die Biike an“. Mit diesen Worten beginnt traditionell jedes Biike-Brennen. Inzwischen ist es dunkel geworden. Nur die organefarbenen Laternen und die kleinen Lichter der Buden erleuchten den Platz.
Alle versammeln sich um den Biike-Brennhaufen. Der ist wohlweislich hinter dem Deich Richtung Meer aufgebaut. Auch die freiwillige Feuerwehr ist vor Ort. Sicher ist sicher. Die Biike ist innen mit ein paar Strohballen gefüllt und ansonsten hohl. Das haben wir uns tagsüber schonmal angeschaut.
Der Biike-Feuerhaufen hat die Form eines Indianerzeltes, rund und nach oben hin zulaufend. Er wird gehalten von einem dünnen Holzgerüst und ist über und über mit getrockneten Weihnachtsbäumen bestückt.
Dann ist der entscheidende Moment gekommen. Wir haben uns ganz vorn hingestellt. Gebannt starren wir in die Dunkelheit auf die beiden Männer mit den Fackeln.
Sie halten ihre Fackeln an die Tannenbaumzweige und zünden die Biike an. Die getrockneten Bäumen fangen rasend schnell Feuer. Die gesamte Biike steht binnen Sekunden lichterloh in Flammen und eine riesige Rauchschwade zieht Richtung Bad. Die NDR-Reporterin macht noch ein paar Aufnahmen mit dem Feuer im Hintergrund. Das kommt sicher gut.
Wir schauen fasziniert in die Flammen. Feuer hat was Magisches. Wir könnten stundenlang einfach hier stehen und schauen, wie die Biike niederbrennt. Tatsächlich geht das relativ schnell. Allmählich wird uns warm, in Feuernähe, und unsere Gesichter bekommen eine schöne, rote Farbe. Der Geruch von Feuer hängt nun schwer in der Luft, von brennender Tanne. Es knistert und manchmal knackt es etwas lauter, wenn ein größerer Ast bricht. Irgendwann wird es Zeit wird zu gehen und zum finalen Teil des Biike-Festtages aufzubrechen.
Biike-Ritual: Grünkohl-Essen
Dazu fahren wir in den Eiderstätter Dorfkrug in Tating. Hier gibt es „im Saal“ das traditionelle Biike-Grünkohl-Essen. Dazu ein Bier. Passt. Der Krug ist voll aufs Grünkohl-Essen eingestellt. Es gibt sogar Grünkohl-Servietten.
Der Saal ist voll und hat den Charme einer kleinen Reithalle, absolut authentisch also. An den großen Tischen sitzen vor allem Gruppen. Nach einiger Wartezeit bringt die Bedienung das Essen. Zum Grünkohl gibt es Bratkartoffeln und jede Menge Fleisch. Eine Kochwurst, ein Stück fettigen Speck und ein Stück durchsetzten Kassler. Nichts für Zimperliche.
Ich halte mich vor allem an die Kochwurst, die ist sogar ganz lecker. Nachdem wir die Teller geputzt haben, räumt die Bedienung ab und fragt, ob wir ein Schnäpschen wollen. Klar wollen wir. „Korn oder Appelkorn?“ Wir testen beides. Das schwere Essen muss schließlich verteilt werden. Mit dem Runterspülen des Schnapses ist unsere erste Biike offiziell geschafft. Der Winter ist vertrieben! Einer musste es ja machen.
Am nächsten Tag geht es dann wieder zurück mit dem Auto nach Hamburg. Ein Auto braucht man hier in Nordfriesland. Die Fahrt dauert je nach Verkehr 1,5 bis 2 Stunden. Gut machbar, auch mal für ein Wochenende.
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Mehr Biike-Geschichten & Nordsee-Tipps
Lust auf mehr Biike-Geschichten? Dann schaut doch mal bei Elke im meerblog vorbei. Sie schreibt ebenfalls über das Biike-Fest in St. Peter-Ording.
Sabine von Fratuschi und Inge von Travel Experience haben beide die Biike auf Sylt mitgefeiert! Unabhängig voneinander allerdings. Über Sylt haben wir übrigens noch zwei tolle Artikel hier auf Weltreize: einen perfekten Tag auf Sylt und 5 Sylt-Ausflüge für einen unvergesslichen Inselurlaub!
Ganz frisch war ich mit dem E-Bike auf dem → Nordseeküsten-Radweg: 1 Woche auf dem längsten Radweg der Welt unterwegs. Ist vielleicht nicht für Februar zu empfehlen, aber in St. Peter-Ording sind wir auch vorbeigekommen! Außerdem habe ich dir kürzlich all meine → Tipps für einen perfekten Tag in: St. Peter-Ording zusammengestellt. Schau unbedingt mal rein.
Biike-Brennen 2024 mit Fackellauf
Alle Informationen zu den Biike-Feierlichkeiten mit Fackellauf am 21.2.2024 findest du auf der Website von St. Peter-Ording oder du folgst einfach dem Link hier.
Super Kommentar!
Da bekommt man ja Lust, selbst im Februar nach Tating zu kommen.
Vielen Dank!
Ich finde ganz spannend, dass es doch klitzekleine Unterschiede zwischen den verschiedenen Biikebrennen gibt. Auf Sylt hängt in der Regel eine Holztonne oder eine Strohpuppe über dem Feuer, die verbrannt und so auch der Winter verabschiedet wird. St. Peter-Ording war grundsätzlich als Ziel schon oft auf meiner Liste und ist irgendwie immer durchgerutscht. Ich werde das bald mal ändern!
Herzliche Grüße
Sabine
Hallo Sabine,
das mit den Unterschieden beim Biike fand ich auch interessant. Godber Kraas hatte davon schon in seinem Vortrag erzählt.
So wie dir mit St. Peter-Ording, geht es mir übrigens mit Sylt. Vielleicht sollten wir mal so eine Art Location-Tausch machen?!
Liebe Grüße
Claudia
Solche Bräuche finde ich immer sehr interessant, und wir nutzen jede Gelegenheit, bei solchen Veranstaltungen dabei zu sein. Man lernt dabei viel über die Geschichte und die Menschen einer Region. Ich hatte schon bei Sabine von Fratuschi-Blog darüber gelesen. Es ist schön, wenn solche Traditionen aufrechterhalten werden.
Hallo ihr zwei,
das stimmt. Und ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich, obwohl ich seit meiner Kindheit nach St. Peter-Ording fahre, ich erst letztes Jahr von der Biike-Tradtion erfahren habe. Dabei finde ich die Idee, den Winter damit zu vertreiben, die Seeleute zu verabschieden / die Liebhaber von der sturmfreien Bude zu informieren, wirklich sehr charmant. Und der Grünkohl hinterher ist natürlich seeeeehr lecker :)
Vielleicht seid ihr ja auch demnächst mal bei einem echten norddeutschen Biike dabei?!
Liebe Grüße
Claudia
[…] Wie die Biike in St. Peter-Ordingen war, berichten Claudia und Dominik auf Weltreize. […]
Danke für den informativen und sehr detaillierten Blog-Beitrag! Weiter so :)
Dankeschön. Ich bin auch ein großer SPO-Fan! Fahre seit meiner Kindheit immer hin und liebe die Gegend einfach.
Habe 1959 über eine Kinderverschickung der Stadt Wetzlar 6 Wochen lang St. Peter Ording kennengelernt. Untergebracht waren wir im „Haus Duborg“, ist leider inzwischen abgerissen. Habe nur schöne Erinnerungen an diese Zeit. Spaziergänge am Strand und Besuch der „Arche Noah“. Bis dann wieder.
Hallo Dietmar,
danke für das Teilen deiner Erfahrung. Das war eine ganz andere Zeit. Kinderverschickung klingt sehr weit weg für mich. Aber damals war das wohl so, was?! Und offenbar hast du ja schöne Erinnerungen an St. Peter-Ording. Ich kehre auch immer gerne dorthin zurück.
Viele Grüße
Claudia