Wenn wir im Ausland auf Reisen sind, stehen Besuche auf landestypischen oder außergewöhnlichen Friedhöfen oft auf unserer Liste der Top-Sehenswürdigkeiten. Hier in Deutschland übersehen wir sie hingegen, auch wenn sich unter ihnen so manche Perle verbirgt. Eine davon liegt direkt vor unserer Haustür: der Friedhof Ohlsdorf in Hamburg. Er ist der größte Parkfriedhof der Welt und in vielerlei Hinsicht ein Ort unaufgeregter Superlative. Doch der wunderschöne Park ist nicht nur für die Toten, er ist vielmehr eine Verneigung vor dem Leben, ein Kulturdenkmal, Lebensraum vieler heimischer Tiere und ein historisches Gedächtnis meiner Heimatstadt.
Trotzdem ist das 389-Hektar-große Gelände noch ein Geheimtipp unter den Ausflugszielen in Hamburg. Heute möchte ich dir diesen ganz besonderen Kosmos vorstellen, dich mit zu seinen Sehenswürdigkeiten, zu den besonderen Orten und versteckten Refugien nehmen. Außerdem verrate ich dir, welche Persönlichkeiten hier ihre letzte Ruhe gefunden haben, wo du sie findest und welche Tiere sich den Friedhof als Lebensraum ausgesucht haben. Am besten erkundet man den Friedhof Ohlsdorf mit dem Fahrrad! Los geht’s!
Friedhof Ohlsdorf: Sehenswürdigkeiten und besondere Orte
Bevor ich dich zu den Sehenswürdigkeiten auf dem Friedhof Ohlsdorf mitnehme, möchte ich dir verraten, warum ich ihn so mag. 1887 entstanden hat ihn Architekt Johann Wilhelm Cordes als Mischung aus amerikanischem Parkfriedhof und englischem Landschaftsgarten gedacht. Ohlsdorf sollte ein Friedhof für Jedermann werden.
Du musst wissen, damals gab es noch Massengräber. Hinter dem Friedhof Ohlsdorf stand also ein humanitärer Ansatz. Jede*r sollte sich hier eine letzte Ruhestätte leisten können. Und das war wirklich so gemeint, denn Friedhof Ohlsdorf ist ein weltoffener Friedhof: alle Konfessionen, Religionen und Nationen sind willkommen. Hier liegen Huren und Graffiti-Sprayer neben Politikern und Autorinnen. Die wichtigsten Persönlichkeiten stelle ich dir später noch vor.
Nachdem Cordes den Friedhof über 40 Jahre gestaltet hatte, übernahm 1919 die zweite wichtige Persönlichkeit: Gartenbauarchitekt Otto Linne. In seiner Schaffensphase als Friedhofsdirektor ging es eher sachlich und geometrisch zu. Linne mochte eine klare Linienführung. So lässt sich der Friedhof Ohlsdorf in einen Cordesteil (der westliche Teil) und einen Linneteil unterscheiden.
Aber jetzt zu den Sehenswürdigkeiten auf dem Friedhof Ohlsdorf.
Neobarockes Ensemble am Haupteingang
Wenn du den Friedhof Ohlsdorf durch den Haupteingang betrittst, werden dir gleich die wunderschönen historischen Gebäude von 1909/1910 ins Auge stechen. Dazu gehören ein Verwaltungsgebäude mit Pförtnerhäuschen und die zwei Retiradengebäude. Zusammen bilden sie das historische neobarocke Ensemble, das dir sofort klar werden lässt, an welch geschichtsträchtigem Ort du dich befindest! Hier bekommst du übrigens auch einen Übersichtsplan für das 389-Hektar-große Gelände, auf dem man leicht verloren gehen kann.
Museum Ohlsdorfer Friedhof
Rechts vom Haupteingang befindet sich das kleine Museum des Friedhofs. Dort kannst du dich auf 60 qm Ausstellungsfläche über 130 Jahre Friedhofsgeschichte und -geschichten, den Park, Prominente oder kunsthistorisch bedeutsame Gegenstände auf dem Areal informieren. Hier zeigt sich die ganze Vielfalt der Friedhofs-, Bestattungs- und Trauerkultur, die Ohlsdorf zu bieten hat. Das Museum wird ehrenamtlich betrieben und hat nur an wenigen Tagen geöffnet.
Öffnungszeiten Museum Ohlsdorfer Friedhof: Sonntag, Montag und Donnerstag, 10 bis 14 Uhr
Althamburgischer Gedächtnisfriedhof
Direkt gegenüber des Haupteingangs befindet sich der Althamburgische Gedächtnisfriedhof. Er ist ein Ehrenfriedhof für berühmte Hamburger*innen und im Stil eines englischen Landschaftsgartens angelegt. Auffallend sind die picobello geschnittenen, runden Taxusbüsche, die Christusfigur von 1904 und die historischen Treppenaufgänge aus rotem Mainsandstein. Ich fühle mich sofort in einen Jane-Austen-Film hineinkatapultiert.
Polizeigräber Revier Blutbuche
Das „Revier Blutbuche“ ist seit 1923 die Ehrengrabstätte der Hamburger Polizei. Hier werden Polizeibeamte begraben, die im Dienst für die Freie und Hansestadt Hamburg ums Leben gekommen sind. Viele Gräber stammen aus den unruhigen Zeiten zwischen den beiden Weltkriegen. Heute sterben glücklicherweise nicht mehr so viele Beamte im Dienst.
Wenn doch, findet ihre Trauerfeier in Hamburgs Wahrzeichen der Kirche „St. Michaelis“ – besser bekannt als „Michel“ – statt. Anschließend werden sie zu ihrem letzten Revier gebracht: dem Revier Blutbuche. Der Weg dorthin geht bald nach dem Haupteingang rechts von der Cordesallee ab. Es ist durch einen der schönen historischen Wegweiser, die dir überall auf dem Friedhof Ohlsdorf begegnen, gekennzeichnet. Beim Näherkommen siehst du sofort die rote Blutbuche in der Mitte des kleinen Rondells. Blutbuchenhecken umgeben es. Jedes Jahr am Volkstrauertag gedenken hier Polizisten ihren gefallenen Kollegen.
Südteich und Rosengarten
Ein Stück weiter auf der Cordesallee siehst du bald rechts eine zauberhafte Brücke, die direkt aus einem Gemälde Monets entspringen könnte. Über sie gelangst du zum Südteich, einem von 15 Teichen auf dem Friedhof Ohlsdorf. Direkt am Südteich liegt auch der Rosengarten. Im Sommer blühen hier 2700 Rosen, die der erste Friedhofsarchitekt Cordes Ende des 19. Jahrhunderts selbst ausgewählt hat. Es sind alte Rosenarten, wie es sie in mittelalterlichen Klostergärten gab oder wie sie die Römer und die Griechen einst kultivierten.
Historischer Wasserturm
Der ehemalige Wasserturm bildet einen markanten Orientierungspunkt an der Cordesallee. Erbaut wurde er 1898. In den Sommerpunkten an Sonntagnachmittagen wird er wohl manchmal als Aussichtsturm von Ehrenamtlichen geöffnet und ist dann öffentlich zugänglich.
Stiller Weg
Der Stille Weg gilt als einer der schönsten Spazierwege auf dem Friedhof Ohlsdorf. Er ist ca. 1 km lang und zieht sich wie eine nie endende Spaghetti durch den Park. Er beginnt direkt am Wasserturm (N 24) an der Cordesallee und endet in der sogenannten Dichterecke (AB 4). Die schönen historischen Wegweiser zeigen den Spaziergehenden, wo es lang geht. Aber Achtung: Der Stille Weg gabelt sich vor dem Mausoleum Ohlendorff (AB 21).
Garten der Frauen
Der Garten der Frauen ist einer der Orte auf dem Friedhof Ohlsdorf, den ich besonders mag. 2001 gegründet, wird er ehrenamtlich betrieben, um an die Frauen zu erinnern, die Hamburgs Geschichte mitgeprägt haben. Denn im Gegensatz zu den bedeutenden Männerfiguren, gerieten viele weibliche Persönlichkeiten schnell in Vergessenheit.
Hier liegen Malerinnen und Schriftstellerinnen, aber auch Prostituierte und Streetworkerinnen. Es gibt Infotafeln mit den Geschichten der Frauen und ein kleines Labyrinth der Erinnerung. Tipp: Zieht mal an dem Zylinder der Illusionistin – ihr werdet euch wundern!
Frauen pflegen auch den Garten der Frauen mit viel Liebe zum Detail und gärtnerischem Geschick. Er befindet sich nahe der Cordesallee beim Wasserturm (Planquadrat P 27). Der Weg ist von der Cordesallee, Höhe Wasserturm aus ausgeschildert.
Kapellen auf dem Friedhof Ohlsdorf
Was wäre ein Friedhof ohne Kapellen? Auf dem Gelände des Friedhof Ohlsdorf gibt es zwölf davon. Sechs gehen auf die Gründerzeit von Cordes zurück. Hier werden die Trauerfeiern abgehalten, aber manche sind auch für kulturelle Zwecke umfunktioniert (Kapelle 6). Nicht wundern: Die Nummerierung der Kapellen geht bis „13“, allerdings ist Kapelle 5 abgebrannt und wurde nicht wieder ersetzt. Deswegen sind es heute zwölf Kapellen. Sie sind so unterschiedlich wie die Stadt Hamburg und ihre Geschichte selbst und liegen meist an den „Verkehrsknotenpunkten“ des Parks und in unmittelbarer Nähe von Bushaltestellen. Tipp: An den Kapellen gibt es Parkplätze und meist öffentliche Toiletten.
Grabmal-Freilichtmuseen
Als der Friedhof Ohlsdorf entstand, wurden dafür einige andere Friedhöfe aufgelöst und Gräber verlegt. Besonders erhaltenswerte Grabmale wurden dabei auf dem Denkmalhof des Ohlsdorfer Friedhofs gesammelt. Er unterteilt sich in zwei Bereiche: das Grabmal-Freilichtmuseum Heckengarten (Bh 54-55) mit knapp 200 Familien-Grabsteinen und Gruftplatten und das Grabmal-Freilichtmuseum der Ämterstein (T 27-28) mit den Grabmalen der Handwerker, Zunftvereinigungen und Brüderschaften.
Kunst auf dem Friedhof Ohlsdorf
Ohlsdorf ist in seiner kulturellen Schönheit und Einzigartigkeit für mich ein Gesamtkunstwerk und ein unvergleichliches Kulturdenkmal. Von der eindrucksvollen Gartenarchitektur abgesehen, gibt es viele tatsächliche Kunstwerke wie die prachtvollen Mausoleen, die historischen Grabstätten oder die 800 Skulpturen.
Mein Liebling ist eine in ihrer Brachialität kaum zu übertreffende Statue von Hugo Lederer von 1905. Sie jagt mir jedes Mal, wenn ich sie sehe, einen eiskalten Schauer über den Rücken, sagt sie doch: Das Schicksal ist brutal und erbarmungslos. Mit schwingt: Und der Tod bekommt uns alle. Was mich an dieser Statue so fasziniert ist, dass sie, meiner Erfahrung nach, in jedem sofort Emotionen auslöst. (Lage: Westring)
Auch ein persönliches Highlight ist eine Stahl-Skulptur von Gloria Umlauft-Thielecke: die Grablegung Jesu. Ich kenne Gloria Umlauft-Thielecke als exzentrische Kunstlehrerin vom Hansa-Kolleg, wo ich Abi nachgemacht habe. In unserer Abi-Zeitung haben wir sie scherzhaft mit Cruella de Vil aus dem Film „1001 Dalmatiner“ verglichen, und so habe ich mich besonders gefreut, ein Werk von ihr hier wiederzusehen.
Friedhofscafé Fritz: Leichenschmaus & mehr
Ein Stück links vom Haupteingang des Friedhofs Ohlsdorf befindet sich das Café Fritz. Es ist ein modernes Café mit Terrasse und eigener Hauskonditorei, auf der du gut eine Pause machen oder deinen Friedhofsbesuch ausklingen lassen kannst.
Telefon: +49 (40) 59 355 340
E-Mail: info(at)cafefritz-hamburg.de
Website → Café Fritz
Gräber von Prominenten auf dem Friedhof Ohlsdorf
Viele Hamburger Prominente haben ihre letzte Ruhestätte auf dem Friedhof Ohlsdorf gefunden. Ein paar davon möchte ihr dir nun vorstellen. Alle Prominenten findest du auf der → Website des Friedhofs Ohlsdorf, die sich auch mobil gut benutzen lässt.
Hamburger Legende: Hans Albers
Der gebürtige Hamburger Hans Albers (1891-1960) war ein Schauspieler und Sänger. Er ist aus Filmen wir „Der blaue Engel“ mit Marlene Dietrich, „Münchhausen“ oder „Das Herz von St. Pauli“ bekannt. Club- und Kneipen-Besuchern der Hamburger Reeperbahn wird sicher auch sein Lied „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ in den Ohren klingen. Im gleichnamigen Film spielt er an der Seite von Heinz Rühmann die Hauptrolle. Sein Grabstein ist ganz schlicht, aber gut ausgeschildert.
Grablage: Y23 (245-254), Y23 (325)
Hamburgische Bescheidenheit: Loki & Helmut Schmidt
Auch Loki und Helmut Schmidt sind eng mit der Hansestadt Hamburg verbunden. Helmut Schmidt (1918–2015) war zunächst Senator der Polizeibehörde Hamburg, später dann Bundesminister für Verteidigung sowie für Wirtschaft und Finanzen. Von 1974 bis 1982 war er der fünfte Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Bekannt ist er auch deshalb, weil er stets und ständig geraucht hat. Deswegen solltest du dich nicht wundern, dass vermutlich ein paar Mentholzigaretten vor dem Grabstein liegen.
Loki Schmidt (1919–2010) war Lehrerin und Naturschützerin, und eben die Ehefrau von Helmut Schmidt. Nach ihr ist seit 2012 der Botanische Garten in Klein Flottbek benannt. Er heißt jetzt Loki-Schmidt-Garten und ist ebenfalls einen Besuch wert!
Ihr Grab ist ein Symbol norddeutscher Bescheidenheit, weshalb wir es beim ersten Suchen glatt übersehen haben. Nach dem historischen Richtungspfeil von der Straße kommend, findest du es bald links am Wegesrand.
Grablage: U33 244-249
Mutter der Nation: Inge Meysel
Inge Meysel (1910-2004), auch bekannt als „Die Mutter der Nation“ war eine deutsche Volksschauspielerin und Hörspielsprecherin.
Grablage: P8, 231-232
Komiker Heinz Erhardt
Heinz Erhardt (1909-1979) war ein deutscher Kominiker, Schauspieler, Musiker, Komponist, Kabarettist und Dichter. Auch der Grabstein von Heinz Erhardt ist recht bescheiden. Ihm gegenüber hat jemand ein paar seiner Gedichte ausgestellt.
Tierparkgründer Carl Hagenbeck
Wer Hamburg ein bisschen kennt, kennt auch den Tierpark Hagenbeck in Stellingen. Gegründet hat ihn Carl Hagenbeck (1844-1913). Er war auch Tierhändler und Völkerschauausrichter, Berufe aus einer längst vergangenen Zeit. Durch die Erfindung von sogenannten naturalistischen Freigehegen revolutionierte er die Zooarchitektur auf der ganzen Welt. Bei dieser Art Freigehegen sieht es so aus, als gebe es keine Zäune oder Gitter, weil die Zäune aus scheinbar natürlichen Materialien wie Felsen oder aus Gräben bestehen. Auch heute noch ist Hagenbecks Tierpark sehr besuchenswert. Ich hab mal dort gearbeitet – ich muss es also wissen ;)
Der Grabstein von Carl Hagenbeck ist ein Findling. Ursprünglich ruhte davon eine bronzene Figur seines Lieblingslöwens Triest. Leider wurde sie 2014 gestohlen.
Grablage: AE 15 (45-58)
Hamburgs Liebling: Jan Fedder
Jan Fedder (1955-2019) war ein Schauspieler und Synchronsprecher. Er spielte oft deutsche Charakterie, wie den Polizisten „Dirk Matthies“ in der Serie Großstadtrevier. Auch im Film „Das Boot“ war Fedder zu sehen oder in der norddeutschen Serie „Neues aus Büttenwarder„.
Das Grab von Jan Fedder ist recht auffällig mit einem Zaun und einem gusseisernen Tor, das mit roten Plastikrosen dekoriert ist. Das Tor ist verschlossen, sodass man nicht bis an den Grabstein kommt. Rechts davor steht ein Briefkasten mit der Aufschrift „Post für Jan Fedder“. Das Grab befindet sich direkt an einer der Hauptstraßen.
Grablage: U22-2
Mausoleum für einen Lebenden: F. C. Gundlach
Wenn man sich wie ich für Fotografie interessiert und in Hamburg lebt, ist einem der Name F. C. Gundlach (1926-2021) sicher ein Begriff. Die Hamburger Fotografielegende war Mäzen, Stifter, Sammler, Galerist, Kurator und hat sein modernes Mausolem bereits im Jahr 2008 13 Jahre vor seinem Tod errichten lassen. An der Seitenwand des 3×3-m-großen Betonkubus verewigte er eines seiner bekanntesten Fotos: Badekappen-Models 1966 vor den Cheopspyramiden. Das Bild verändert sich dabei im Sonnenlicht: durch die Schattenbildung wird es vom Negativ zum Positiv.
Grablage: Westring, Mausoleen AH 17-19
Herz von St. Pauli: Anita Domenica Niehoff
Einer von Hamburgs bekanntesten Stadtteilen ist St. Pauli mit dem Rotlichtviertel Reeperbahn. Aus diesem Umfeld kommt Anita Domenica Niehoff (1945-2009). Sie war Prostituierte, Streetworkerin und für viele das Herz von St. Pauli. Auf ihrem Grabstein ist eine Art Porträt von ihr. Eine Infotafel gibt Aufschluss über ihr bewegtes Leben.
Grablage: Garten der Frauen
Pornostar „Sexy Cora“
Die Erotikdarstellerin Carolin Wosnitza (1987-2011), besser bekannt als „Sexy Cora“, starb im Alter von 23 Jahren bei ihrer fünften Brust-Vergrößerung. Auf ihrem Grab steht ein 2 m großer Engel, der eine Kugel in der Hand hält. Zu offenherzige Bilder von der Pornodarstellerin selbst mussten allerdings wieder von der Grabanlage entfernt werden.
Grablage: direkt hinter dem Haupteingang Fuhlsbüttler Straße, in der Cordesallee auf der linken Seite
Graffitispayer OZ
Ich bin ein großer → Streetart-Fan, einige Streetart-Künstler habe ich sogar hier auf dem Blog interviewt und wann immer ich in Städte reise, mache ich mich auf die Suche nach dieser Art von Straßenkunst. Deswegen ist es mir bei unserem Ausflug nach Ohlsdorf ein Anliegen, das ungewöhnliche Grab des Hamburger Graffitisprayers OZ zu finden. Auf einigen Streetart-Touren, die ich in Hamburg mitgemacht habe, habe ich viel von ihm und seiner bewegenden Lebensgeschichte gehört.
Oz, 1950 mit bürgerlichem Namen Walter Josef Fischer geboren, gilt als Großvater der Sprüherszene in Hamburg. Er sah sich selbst als Stadtverschönerer, doch darüber lässt sich freilich streiten. Worüber sich nicht streiten lässt ist, dass er das Stadtbild Hamburgs mit seinen mehr als 120.000 Spiralen, Smileys, Tags und einigen großflächigen Bildern geprägt hat wie kein anderer. Dafür saß er insgesamt mehr als acht Jahre in Haft, nur um gleich wieder zur Sprühdose zu greifen. Im September 2014 wurde er, während er die Abdeckung einer Stromschiene an den S-Bahn-Gleisen zwischen Hauptbahnhof und Berliner Tor „verschönerte“ von einer S-Bahn erfasst und starb. Sein Grab ist wie sein Leben: außergewöhnlich …
Grablage: N33 140
Lieblingsgrab: Weltenbummler
Ist es makaber, ein Lieblingsgrab zu haben? Das muss vermutlich jede*r für sich entscheiden, aber ich für meinen Teil finde schon lange, dass der Tod ja nunmal zum Leben dazugehört und dass er eigentlich viel mehr enttabuisiert werden sollte. Deswegen möchte ich euch hier mein Lieblingsgrab vom Friedhof Ohlsdorf zeigen.
Es ist ganz in der Nähe von dem Grab von OZ, und wir haben es zufällig entdeckt, weil uns der große, ungewöhnlich geformte Grabstein aufgefallen ist. Beim Näherkommen siehst du, dass auf dem Grabstein eine Weltkarte abgedruckt oder eingearbeitet ist. Auf der Weltkarte sind auf den entsprechenden Punkten lauter Fotos: von den Pyramiden, den Leguanen auf Galapagos oder den Nasca-Linien in Peru. Oben stehen die Namen der beiden Verstorbenen, nur mit den Geburtsdaten, so als ginge ihre Reise immer noch weiter. In der Mitte dann ein Foto des Pärchens, lachend, ein selbst gemaltes Schild in den Händen „From Germany“.
Sie sind Jahrgang 1934 und 1935. Wie anders muss das Reisen für sie damals gewesen sein? Ohne Handys, ohne Internet … Der Grabstein versprüht die pure Freude am Leben. Keine Trauer, kein Bedauern. Mir jagt es einen kleinen Schauer über den Rücken als ich den Grabstein so betrachte. „So einen möchte ich auch einmal haben“, schießt es mir durch den Kopf. Eine Erinnerung an ein glücklich gelebtes, erfülltes Leben.
Grablage: in der Nähe vom Grab von Oz, in Richtung der nächsten Kapelle
Natur und Tiere: Friedhof Ohlsdorf als Lebensraum
Der Friedhof Ohlsdorf ist eine stille Oase mitten in der Großstadt. Er ist ein geheimes Paradies, ein Naherholungsgebiet und eine grüne Insel in einer Millionenstadt. Er ist eine Welt für sich, ein eigener Kosmos, wie ein ganz eigener Stadtteil. Die Ruhe und Gelassenheit, die der riesige Parkfriedhof ausstrahlt, übertragen sich immer sofort auf mich, wenn ich da bin. Ich fühle mich geerdet und entspannt.
Und das, obwohl es auf dem Friedhof Ohlsdorf 17 km Straßennetz gibt, die sich auf 22 Straßen verteilen. Zwei Buslinien fahren 22 Stationen an. Durchgangsverkehr ist hier allerdings verboten. Es gibt 120 km Wasserleitungen und 700 Schöpfbrunnen. Was aber macht die Natur- und Tierwelt auf dem Friedhof Ohlsdorf so besonders?
Natur auf dem Friedhof Ohlsdorf
Auf dem Gelände des Friedhof Ohlsdorfs gibt es hunderte Laubbaum- und Nadelgehölzarten. 36.000 Bäume stehen hier. Zum Teil sind sie schon über 100 Jahre alt. Für mich eines der Highlights bei meinem Besuch. Wenn ich meine Radtouren durch den Park mache, schaue ich immer wieder staunend nach rechts und links auf die Baum-Kolosse, die mir Spalier stehen.
Insgesamt finden sich 15 idyllische Teiche, einige Bäche und viele malerische Sitzecken im Park. 2800 Sitzbänke laden den Besucher zum Verweilen und Nachdenken ein. Hier findest du auch die größte Rhododendronfläche Europas – noch so ein Superlativ. Der Anblick, wenn sie im Mai blühen, ist umwerfend. Etwas später, im Sommer, kannst du dich dann an den 2.700 Rosen berauschen. Auch positiv: Weder Pflanzengifte noch Insektizide werden in einem von Hamburgs prachtvollsten Parks verwendet. Der Parkfriedhof Ohlsdorf ist also ein ruhiges innerstädtisches Refugium, auf dem du besinnlich herumliegen und den Kopf frei kriegen kannst.
Tiere auf dem Friedhof Ohlsdorf
Denkt man an Friedhöfe, denkt man zuerst an die Toten. Aber Friedhöfe sind auch Lebensräume diverser Spezies. Auf dem Friedhof Ohlsdorf z. B. herrscht sehr viel mehr Leben als man auf den ersten Blick glauben mag.
Es gibt über 100 Vogelarten und sogar eine eigene Vogelführung mit dem NABU übers Gelände. Hier seien mal einige besondere Vogelarten genannt:
- Eisvögel
- Uhus
- Graugänse
- Buntspechte
- Baumfalken
- Mönchsgrasmücken
Neben Vögeln findest du diese Tiere auf dem Friedhof Ohlsdorf:
- Rehe
- Füchse
- Eichhörnchen
- Hasen
- Mader
- Igel
- Sumpfschildkröten, die hier vermutlich mal ausgesetzt wurden.
Wir haben bei unseren Besuchen unzählige Eichhörnchen, Schwäne, Grau- und Kanadagänse mit Nachwuchs, Sumpfschildkröten und sogar ein paar schnell vorbeifliegende Eisvögel gesichtet.
Praktische Informationen zum Friedhof Ohlsdorf
Damit du das beste aus deinem Besuch auf dem Friedhof Ohlsdorf herausholen kannst, habe ich dir im Folgenden wichtige praktische Informationen zusammengestellt.
Öffnungszeiten für KFZ:
April bis Oktober von 9 bis 21 Uhr,
November bis März von 9 bis 18 Uhr
Die Tore für Fußgänger sind ab 6 Uhr geöffnet.
→ Website Friedhof Ohlsdorf
Orientierung auf dem Friedhof Ohlsdorf
Der Friedhof Ohlsdorf ist 389 Hektar groß und damit größer als der Central Park in New York oder als der Zentralfriedhof in Wien. Er ist neun Mal so groß wie der Vatikan und doppelt so groß wie Monaco. Man kann sich leicht verlaufen, geht jedoch nie wirklich verloren, denn an den wichtigen Punkten und an Bushaltestellen findest du Übersichtspläne, an denen du dich orientieren kannst. Besser noch: Hol dir einen kostenlosen Friedhofsplan im Beratungszentrum Fuhlsbüttler Str. 756 oder im Infohaus am Fußgängereingang beim U/S-Bahnhof Ohlsdorf oder lad dir den → Plan als PDF aufs Handy.
App Friedhof Ohlsdorf
Die Navigations-App „Friedhof Ohlsdorf“ ist eine Offline-Vektorkarte. Sie zeigt ca. 800 Orte, darunter ca. 600 Prominentengräber und weitere 200 Orte von Interesse wie Grabanlagen, Kapellen oder Friedhofsgärtnereien. Die App bietet Orientierung auf dem großen Gelände, du kannst nach Prominenten suchen, neue Orte entdecken und Wege planen – mit Entfernungsangaben. Leider fehlen etliche Prominentengräber (z.B. von Roger Cicero, Witta Pohl und OZ) und die Grabflächen sind ungenau, teilweise sogar falsch angegeben. Kosten: 2,29 Euro.
Anfahrt Friedhof Ohlsdorf
Der Friedhof Ohlsdorf liegt direkt neben der gleichnamigen Bahnstation Ohlsdorf. Dort halten die Linien S1 und U1. Unser Tipp: Schnapp dir dein Fahrrad, nimm es mit in die Bahn und spar dir deine Power zur Eroberung des wunderschönen Parks.
Für Autos hat der Friedhof vier Ein- bzw. Ausfahrten: die Fuhlsbüttler Straße, die Bramfelder Chaussee, den Seehof und den Kornweg. An allen Kapellen befinden sich Parkplätze. Parken am Straßenrand ist in der Regel meist ebenfalls unproblematisch. Der Friedhof verfügt über 17 km Straßennetz. Die reine Durchfahrt über das Friedhofsgelände ist verboten.
Wann ist die beste Zeit für einen Besuch?
Der Friedhof Ohlsdorf ist zu jeder Tages- und Jahreszeit schön, aber natürlich zeigt er sich von seiner besten Seite, wenn die Natur zum Leben erwacht, in voller (Rosen-)Blüte steht oder sich später bunt verfärbt. Sprich: Frühling, Sommer und Herbst sind ideal. Erfahrungsgemäß ist es sonntags und an besonderen Feiertagen am vollsten auf dem Friedhof. Hier noch ein paar Tipps, wann sich der Besuch besonders lohnt:
- Museum: sonntags, montags, donnerstags, 10-14 Uhr
- Rhododendronblüte: Ende April bis Anfang Juni, in voller Pracht sieht man sie im Mai – dort findet sich die größte zusammenhängende Rhododrendronfläche Europas. Vielen davon sind 100 Jahre alt!
- Rosenblüte: im Sommer
- Wasserturm: in den Sommermonaten, Sonntag nachmittags
- Am Tag des offenen Denkmals (11.-13.9.2020): manchmal nehmen Gebäude, z. B. das Riedemann-Mausoleum, auf dem Friedhof daran teil und öffnen ihre Tore
- Tag des Friedhofs (20.9.2020)
- Tag der Toten (31.10.-2.11.2020): manchmal gibt es an diesen Tag besondere Aktivitäten, angelehnt an die Feiern in anderen Kulturen, wie z. B. den „dia de las muertos“ aus Mexiko, ein fröhliches Volksfest. Wir haben ihn mal in La Paz in Bolivien erlebt. Was für ein Fest: → Tag der Toten – Friedhofspektakel in Bolivien
Touren & Spaziergänge über den Friedhof Ohlsdorf
Über den Friedhof Ohlsdorf gibt es diverse geführte Touren zu Fuß oder mit dem Rad:
- Mehr als ein Friedhof – mit dem eigenen Fahrrad
- Märchenspaziergänge
- Berühmte Hamburger Persönlichkeiten
- Hamburger Künstler
- Zur Rhododendronblüte
- Engel im grünen Paradies
- Literarischer Friedhofsspaziergang
- Erotischer Spaziergang
- Wanderspaziergänge
- Segway-Touren
- Droschkenfahrten
- Waldbaden
Drei empfehlenswerte Spaziergänge mit Karten zum Download findest du → hier. Eine Übersicht über aktuelle Veranstaltungen auf dem Friedhof Ohlsdorf gibt es → hier.
Filmtipp
Wenn du dich schonmal medial auf deinen Besuch auf dem größten Parkfriedhof der Welt vorbereiten möchtest, empfehle ich dir den 60-minütigen Dokumentarfilm „Im Wald der Engel. Ohlsdorf, der größte Parkfriedhof der Welt.“ (NDR, 2014). Du findest den Film kostenlos in der → NDR-Mediathek.
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Mehr Ausflugstipps für Hamburg & den Norden
Wir haben noch ein paar Tipps für unsere Heimatstadt Hamburg:
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- Schlafe lieber ungewöhnlich: eine Nacht in der Handelskammer Hamburg
- Gleich neben dem Friedhof Ohlsdorf liegt der Bramfelder See. Tipps für einen Spaziergang um den See hat Alex von → Draußenlust.
- Ulrike vom → Bambooblog hat sich den Öjendorfer Friedhof in Hamburg angesehen. Ein Ort des Lebens, findet sie, und sehr besuchenswert.
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Ausflugstipps für Norddeutschland
Du möchtest Deutschland von Hamburg aus diesen Sommer mit dem 9-Euro-Ticket entdecken und legendäre Mikroabenteuer erleben? Da hätte ich ein paar Ideen: 9-Euro-Ticket ab Hamburg: 20 Ziele für einen unvergesslichen Sommer.
Auch im Norden Deutschlands – im weitesten Sinne – waren wir schon einige Mal unterwegs und haben dir ein paar tolle Tipps und Geschichten mitgebracht:
- Tipps für einen perfekten Tag in Lüneburg
- Tipps für einen perfekten Tag in Lübeck
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- Das Wendland: 6 Insidertipps für aktive Erholung
- 25 Tipps für einen reizenden Städtetrip nach Schwerin
- Wasserski fahren in Norderstedt
- Zeitreise nach Celle: Sehenswürdigkeiten und Tipps
Andere Friedhöfe auf der ganzen Welt
Auf unserer → einjährigen Weltreise haben uns zwei Friedhöfe besonders beeindruckt. In den folgenden Artikeln kannst du lesen, warum:
Wow! Der Artikel ist beeindruckend umfangreich. Und er macht Laune, mal wieder dorthin zu gehen. Das Grab der Weltreisenden muss ich unbedingt sehen! Danke fürs Verlinken.
Liebe Grüße
Ulrike
Hey Ulrike,
ja, das war ein Zufallsfund mit dem Weltenbummlergrab und ein echtes Highlight. Wie schön man auch im Tod noch das Leben feiern kann. Ich glaube, da können wir uns alle eine Scheibe von abschneiden …
Aber den Friedhof Öjendorf, über den du geschrieben hast, muss ich mir auch mal anschauen, den kenne ich noch gar nicht.
Viele Grüße
Claudia
[…] beeindruckt dieser Ort so sehr, dass ich sogar einen ganzen Artikel mit meinen Highlights und Tipps zum Friedhof Ohlsdorf geschrieben habe. Wenn du etwas Zeit in Hamburg hast, kann ich dir den Besuch nur […]